ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf reiste drei Wochen durchs Land

„Inside Afghanistan“: So geht es dem Land wirklich

09.08.2023 um 10:28 Uhr

Leben in Angst und Ohnmacht: Wie es ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf gelang, im weitgehend isolierten Land unter dem Taliban-Regime eine Doku zu drehen.

Ein Artikel von Mirja Halbig.

Die Bilder gingen um die Welt – und unter die Haut: Als die Taliban vor zwei Jahren, am 15. August 2021, wieder die Macht in Afghanistan übernahmen, spielten sich am Flughafen Kabul dramatische Szenen ab. Um noch irgendwie das Land zu verlassen, versuchten Tausende, das Gelände zu stürmen, Flugzeuge zu entern oder klammerten sich in ihrer Verzweiflung von außen an startende Maschinen. Sie ahnten, wie sehr sich ihre Heimat verändern würde, wie gnadenlos die Taliban Rechte von Frauen und Minderheiten mit Füßen treten würden. Wie erleben die Menschen heute ihren Alltag in Afghanistan?

ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf reiste drei Wochen durchs Land, um Interviews zu führen. In ihrer beeindruckenden Doku „Inside Afghanistan“ gewährt sie den Zuschauern seltene Einblicke. Die vielfach ausgezeichnete Auslandsreporterin beschreibt, wie es ihr gelang, aus einem unterdrückten Land frei zu berichten, und welche Begegnungen sie am meisten beeindruckt haben. Ihr Mut macht es möglich, dass Millionen Menschen erfahren, wie die Taliban herrschen. „Es ist nicht selbstverständlich, dass ich eine Arbeitsgenehmigung erhalten habe. Viele Kollegen dürfen nicht mehr einreisen“, sagt Eigendorf.

Die erfahrene Korrespondentin berichtete vor 19 Jahren erstmals aus dem Land am Hindukusch – drei Jahre nach dem Sturz der Taliban. Nachdem sich die internationalen Truppen 2021 zurückgezogen haben, sind die radikalen Herrscher wieder an der Macht. Ihr Ziel ist es, aus ihrer Heimat einen islamischen Gottesstaat zu machen.

Zwei Jahre nach der Machtübernahme

Der religiöse Wahn prägt den Alltag der Menschen. Frauen und Minderheiten haben keinerlei Rechte. Frauen werden quasi aus dem öffentlichen Leben verbannt, können nicht ohne männliche Begleitung reisen. Mädchen dürfen nur bis zur sechsten Klasse die Schule besuchen. „2022 war ich auch vor Ort. Seitdem ist alles noch extremer geworden“, sagt Katrin Eigendorf.

„Besonders bewegt hat mich ein Gespräch mit einer jungen Frau. Sie war Journalistin und musste alles aufgeben. Sie hat keine Perspektive. Sie sagt, ihr Leben sei wie ein Gefängnis. Es könnte ihr als Frau jemand auf der Straße etwas antun – und es würde nicht mal geahndet werden. Aussicht auf Besserung gibt es nicht – eher verschlechtert sich die Situation noch weiter. Das finde ich bedrückend.“

Drei Wochen lang war Katrin Eigendorf im Mai mit ihrem Team in Afghanistan per Jeep unterwegs: in Kabul, Herat, Paghman und verschiedenen Provinzen. „Wir konnten frei arbeiten, nachdem wir uns im Presseministerium in Kabul angemeldet hatten“, berichtet Eigendorf. „Als Frau halte ich mich an die Regeln für Bekleidung: Ich bin nur verschleiert auf die Straße gegangen, in einem langen Mantel und weiter Hose. Kleidung, die keine Körperformen erkennen lässt. Ansonsten muss man damit rechnen, dass man angefeindet wird. Ich bin ja nicht als Aktivistin unterwegs, sondern um zu arbeiten.“ Eine schusssichere Weste hatte die ZDF-Korrespondentin immer im Gepäck – da es keine Kampfhandlungen mehr gibt, brauchte sie diese aber kaum.

Die größte Gefahr sind Sprengstoffattentate oder Entführungen. „Wir waren immer wachsam“, sagt Eigendorf. „Es gab auch immer wieder Momente, da sagte mein afghanischer Kollege: ‚Du gehst als Frau jetzt besser ins Auto!‘ Etwa wenn aufgebrachte radikale Männer sich provoziert fühlten und wütend wurden, weil wir als Westliche in der Öffentlichkeit Filmaufnahmen gemacht haben.“

20 Millionen Menschen hungern

Die Stimmung im Land ist schlecht. Nach vielen Jahrzehnten Krieg lag Afghanistan wirtschaftlich bereits vor der Machtübernahme der Taliban am Boden, aber die Lage hat sich seitdem weiter verschärft: Etwa die Hälfte der 40 Millionen Einwohner leidet an Hunger. „Die Verelendung ist weit fortgeschritten. Hilfsorganisationen kommen kaum noch ins Land“, sagt Eigendorf. „Mein Gefühl ist, dass unglaublich viele Menschen das Land verlassen wollen. Aber wohin können sie? Sogar die Taliban sprechen mich immer wieder darauf an, weil die Lebensbedingungen eine Katastrophe sind.“ Welche Perspektive gibt es? „Wir haben auf der Welt zurzeit so viele Krisen, dass sich internationale Geldgeber sehr wohl überlegen, wo sie ihr Geld investieren“, weiß Katrin Eigendorf. Die Zukunft für Afghanistan sieht düster aus. Aber die Reporterin vergisst die Menschen im Land nicht. Sie ist schon dabei, ihre nächste Reise nach Kabul zu planen.

Am 9. August um 22.20 Uhr läuft „Inside Afghanistan“ im ZDF.

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