Autoexperte Olaf Schilling über seine Fahrt im RALLYE-CORSA von Opel

Vom Blitz getroffen

08.08.2023 um 16:18 Uhr

Das ist ein absolut elektrisierendes Erlebnis. Und zwar im wörtlichen Sinne. Denn wir dürfen den Opel Corsa Rally Electric testen – also den Boliden für die weltweit erste Elektro-Rallye- Serie. Vor dem Start heißt es Rennoverall, Sturmhaube und Helm anziehen sowie das Sicherheitssystem HANS anlegen. Schon das kann bei sommerlichen Temperaturen schnell schweißtreibend werden. Und das steigert sich noch, wenn es losgeht. Kaum über den Überrollkäfig in die Schalensitze eingefädelt und in die Hosenträgergurte verschnürt, fühlt man sich postwendend selbst als Rallyepilot. Von der Papierform her klingen 136 PS, ein maximales Drehmoment von 260 Newtonmetern und Frontantrieb zwar nicht wirklich nach einem Rennwagen. Noch dazu fährt der Rallye-Corsa mit dem gleichen Antrieb wie die Serie. Der neue, 156 PS starke Elektromotor (siehe Kasten ganz rechts) ist für die Nachwuchsserie vorerst kein Thema. Warum auch. Die nackten Zahlen spiegeln die wahre Performance auf den Rallye- Strecken nicht wider. Zumal E-Autos vom Start weg die komplette Power bereitstellen, das garantiert von der ersten Sekunde an richtig sportlichen Fahrspaß.

Schotter, Strom und Adrenalin

Stromertypisch gibt es kein Getriebe. Also Pedal drücken und ab geht die wilde Fahrt. Durch den schnellen Antritt der E-Maschine wirbeln wir auf der abgesperrten Piste reichlich Staub auf. Der enge und holprige Feldweg sorgt für Adrenalin sowie laut prasselnden Schotter unterm Auto. Vorsicht ist geboten, Schotter kann rutschig wie Eis sein. Geschwindigkeit ist plötzlich relativ. Hier fühlen sich 90 Sachen wie 190 an – quasi wie vom Blitz getroffen. Die Fahrwerte sind identisch mit denen des Serienautos: 2,8 Sekunden von 0 auf 50 km/h, 8,1 von 0 auf 100 km/h, maximal 150 km/h.

Genauso wichtig wie Motorleistung sind giftig zupackende Bremsen. Im Endeffekt geht es um den geschickten Umgang mit Lenkrad, Fahrpedal und Bremse. Apropos. Extra viel Spaß macht die hydraulische Handbremse. Anleitung: Fuß vom Fahrpedal, bremsen, einlenken und kurz vor dem Wendepunkt die lange Handbremsstange ziehen und wieder beschleunigen. Das hat tolle Drifts sowie ein breites Grinsen im Gesicht zur Folge – und erfordert schnelles Gegenlenken. Runde für Runde wird man sicherer, traut sich immer mehr zu. Der Rallye-Corsa lässt sich sicher, gutmütig und fahrstabil bewegen. Das tolle Handling liegt auch an der durch die Bauweise von E-Autos bedingten perfekten Balance mit tiefem Schwerpunkt und guter Gewichtsverteilung durch die im Boden verbauten Akkus. Auch wenn der Rallye-Corsa nah an der Serie ist, gibt es einige Optimierungen: unter anderem ein neues Fahrwerk, bessere Bremsen, spezielle Reifen, Unterbodenschutz, ein Sperrdifferenzial an der Vorderachse und eine Feuerlöschanlage. Außerdem sind ESP sowie ABS deaktiviert und von der Rückbank bis zu den Türverkleidungen fliegt alles raus, was überflüssig ist. Das spart Gewicht.

Nachladen aus 20.000 Volt

Alles in allem ist der Corsa Rally Electric 50 Kilogramm leichter als das Serienauto, wiegt also rund 1480 Kilogramm. Davon gehen allein 345 auf das Konto des Akkus mit seinen 216 Zellen. Deren 50 kWh Kapazität reichen im normalen Serienalltag für bis zu 337 Kilometer. Beim Rennen sind allerdings maximal 60 Kilometer drin. Kein Problem: Die Wertungsprüfungen sind zwischen fünf und 15 Kilometer lang, dazwischen wird oft nachgeladen. Dafür wurde ein mobiles System entwickelt, das vom öffentlichen Mittelspannungsnetz Strom mit rund 20.000 Volt abzapft und mit einem Transformator auf Gleichstrom mit 1000 Volt umwandelt. Von dort aus wird er auf Ladepunkte verteilt, an denen die Autos mit bis zu 100 kW in gerade mal 25 Minuten wieder aufgeladen werden.

„Wir beweisen, dass die Serientechnik selbst unter den Extrembedingungen des Rallyesports sehr gut funktioniert“, zieht Opels Motorsportchef Jörg Schrott in der dritten Saison des Markenpokals zufrieden Bilanz. Und das zu Recht. Schließlich profitieren von dem gewonnenen Know-how die elektrifizierten Serienfahrzeuge im ganzen Stellantis-Konzern – und bald auch die gesamte Rallye-Szene. Denn der Motorsportverband FIA will bis 2025 ein weltweites Reglement einführen. Von der Pionierarbeit beim ADAC Opel Electric Rally Cup konnte sich auch Jürgen Klopp überzeugen. Der erfolgreiche Coach des englischen Fußballklubs FC Liverpool und Opel-Markenbotschafter durfte kürzlich im Corsa Rally Electric mitfahren. Sein Fazit danach fällt klar aus: „Das ist die Revolution des Motorsports!“

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