Bis 2030 möchte die Bahn die Zahl der Fahrgäste verdoppeln

Besser Bahnfahren! ARD-Themenabend zeigt, was sich ändern muss

04.09.2023 um 16:11 Uhr

Verspätungen, Ausfälle, Überlastung, Personalmangel, Streiks, marode Strecken, Milliardenverluste: Die Liste der Mängel und Probleme ist lang bei der Deutschen Bahn – Anlass für einen ARD-Themenabend.

Ein Artikel von Sven Kunze

Die Bahn ist seit Jahren in der Dauerkrise. Wie geht es weiter? Die ARD widmet dieser Frage einen Themenabend: „Besser Bahnfahren! Was muss sich ändern?“ (Mo, 4. September, 20.15 Uhr). Um diese Frage geht es danach auch in der Talkshow „Hart aber fair“. In der Doku „Sicher Bahnfahren!“ werden anschließend Sicherheitslücken analysiert. Lichtblicke gibt es kaum. Deshalb freute sich Bahnchef Richard Lutz im Juli auch, als er endlich mal eine frohe Botschaft verkünden konnte: „Wir haben einen Boom im Bahnfahren.“ 68 Millionen Fahrgäste im ersten Halbjahr 2023 sind ein Zuwachs von 15 Prozent.

Grund für den Erfolg: das Deutschlandticket. Für 49 Euro monatlich fahren mehr Menschen Zug. Doch selbst am Ticket gibt es viel Kritik. Boom beim Bahnfahren „Zu teuer!“, klagen Sozialverbände. „Zu kompliziert!“, kritisieren Verbraucherzentralen. Im ländlichen Raum würden zudem Anbindungen fehlen, sodass es dort wenig nützt – in vielen Regionen wurden nämlich über die Jahre Strecken abgebaut.

Die Bahn hat Verbindlichkeiten in Höhe von 30 Milliarden Euro

Trotz des „Booms beim Bahnfahren“ meldet die Bahn einen Verlust von 71 Millionen Euro bis Juli. Bis Ende des Jahres könnte es laut Lutz bis zu eine knappe Milliarde werden. Insgesamt hat die Bahn Verbindlichkeiten von 30 Milliarden Euro. Der Service? Mangelhaft. Nur 68,7 Prozent aller Züge kamen im ersten Halbjahr pünktlich an. Hauptgrund ist das marode Schienennetz mit defekten Weichen, gestörten Signalen, sanierungsbedürftigen Bahnhöfen und veralteter Technik. „So, wie es ist, kann es nicht bleiben“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing schon im November 2021.

Der oberste Dienstherr erklärte die Bahn zur Chefsache und kündigte Reformen an. Ab dem 1. Januar 2024 soll es eine neue, gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft geben und mehr Geld für die Verbesserung des Eisenbahnnetzes verwendet werden. Das Ziel ist ehrgeizig: Bis 2030 möchte man die Zahl der Fahrgäste verdoppeln. Nach jahrzehntelangem Sparkurs muss verstärkt saniert werden. Das kostet viel Geld.

Die Regierung hat für ihre Strategie „Starke Schiene“ bis zum Jahr 2029 einen Investitionsbedarf von knapp 90 Milliarden Euro ermittelt. Die Finanzierung ist bislang nur zur Hälfte gesichert. Woher das fehlende Geld kommen soll, ist unklar. Dabei sind die Maßnahmen für Kritiker nicht mal ausreichend. Laut Fahrgastverband Pro Bahn bremst das Ministerium die angestrebte Verkehrswende aus, indem es zu viel Geld in das System Straße steckt. Andere europäische Länder investieren im Verhältnis mehr in ihr Bahnsystem.

Die kommenden Jahre werden schwierig für die Bahn und ihre Kunden. Bis 2030 sind 4200 Kilometer Strecke zu sanieren, allein in diesem Jahr sollen 480.000 Schwellen ausgetauscht werden, dabei entstehen 400 neue Baustellen. Den Fahrgästen drohen Vollsperrungen, lange Umwege und Schienenersatzverkehr. Ob alle Maßnahmen rechtzeitig umgesetzt werden, ist fraglich. Mitarbeiter der Bahn zweifeln laut interner Umfrage daran. Bahnfahrer werden also weiterhin viel Geduld brauchen. Und viel Humor. Wie Kabarettist Horst Evers, der behauptet: „Die Bahn ist besser als ihr Ruf. Häufig bekommt man von ihr sehr viel mehr Fahrzeit dazu, als einem eigentlich zusteht.“ Ein echtes Bonusprogramm!

Das muss besser werden im Nahverkehr

„Der öffentliche Nahverkehr ist ein zentraler Baustein unserer zukünftigen, klimafreundlichen Mobilität“, erklärt der Verkehrsökologe Jochen Eckart von der Hochschule Karlsruhe. Der Professor ist überzeugt: Öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen ist aktiver Klimaschutz. Als Wissenschaftler hat Eckart mit seinem Team am ARD-Projekt #besserBahnfahren mitgewirkt. Wer in Großstädten wie Hamburg auf die S-Bahn angewiesen ist, erlebt fast täglich Planänderungen und Ausfälle. Und wer auf dem Land lebt, ist in einigen Regionen ohne Auto komplett aufgeschmissen.

Laut einer Studie des allgemeinnützigen Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene im Jahr 2022 ist jeder Dritte mit der Erreichbarkeit von Bus und Bahn am eigenen Wohnort unzufrieden. Die regionalen Unterschiede seien erschreckend. Besonders schlecht schneidet Mecklenburg-Vorpommern ab. Der ARD-Wetterexperte Sven Plöger wollte von den Zuschauern wissen: „Wie läuft es bei euch mit Bussen und Bahnen?“

Der Meteorologe ist selbst überzeugter Bahnfahrer und fragt zudem nach: „Was muss sich ändern, damit mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel nutzen?“ Bis August sind über 4000 Antworten bei der ARD eingegangen. Als wichtige Faktoren werden besonders häufig genannt: Taktzahl, Service, Pünktlichkeit, Informationen, Sauberkeit, Fahrtzeit und Kosten.

„Besser Bahnfahren! Was muss sich ändern?“ Mo, 4. September, 20.15 Uhr und in der Mediathek:

Tags:
Du willst mehr Entertainment-News?
FOLGE UNS AUF GOOGLE NEWS