Reportage zum 60-jährigen Jubiläum

Bundesliga-Doku mit Béla Réthy: „Ein ziemlich langweiliges Gekicke“!?

05.08.2023 um 08:58 Uhr

Stars, Spektakel & Skandale: In einer Doku blickt Béla Réthy zurück auf die Geschichte der deutschen Vorzeige-Liga.

Ein Artikel von Michael Tokarski.

Es war ruhig geworden um Béla Réthy. Im Dezember 2022 hatte der Reporter bei der WM sein letztes Live-Spiel kommentiert. Um den 66-Jährigen nochmals aus dem Ruhestand zu locken, war schon ein ganz besonderer Anlass nötig. Der ist nun da. „Titel, Tore, tausend Träume: 60 Jahre Bundesliga mit Béla Réthy“ – so heißt die Reportage, die der Sportreporter zum runden Jubiläum der deutschen Vorzeige-Liga gedreht hat.

Seit dem ersten Anstoß am 24. August 1963 gab es in der Fußball-Bundesliga viele denkwürdige Momente und legendäre Spieler. Ihnen geht Réthy nach, aber ohne Anspruch auf Vollständigkeit. „Ich bin kein Dokumentarist, der chronologisch alles abarbeitet“, sagt er im Interview. „Es geht vielmehr darum, wie ich die Liga empfunden habe.“ Anfang der 1980er kommentierte Réthy erstmals Spiele für „das aktuelle sportstudio“. Seitdem hat er Kontakte zu vielen Profis geknüpft – was sich nun auszahlte, als er Interviewpartner suchte: „Wir haben alle bekommen, die wir haben wollten. Nur Franz Beckenbauer hat abgesagt, weil er sich im Moment nicht fit genug fühlt.“

Réthy sprach mit aktuellen Stars wie Thomas Müller oder Youssoufa Moukoko, vor allem aber mit einstigen Liga-Größen wie Horst Hrubesch, Jürgen Klopp, Aílton, Toni Schumacher, Oliver Kahn und Felix Magath. Über einen hat sich Réthy besonders gefreut. „Mein Held als Kind war Günter Netzer“, sagt der Sportjournalist über Gladbachs einstigen Mittelfeldstrategen. „Netzer hat seit vielen Jahren kein TV-Interview mehr gegeben. Das hat schon ein bisschen Überzeugungsarbeit gekostet. Als ich ihn in Hamburg traf, habe ich gefragt, ob er noch Sport treibe. Nee, meinte er – Sport habe er noch nie getrieben.“

Réthy, der bis zu seinem elften Lebensjahr in Brasilien gelebt hatte, verliebte sich Ende der 60er in die Bundesliga. Der erste Stadionbesuch seines Lebens: Bayern gegen Köln, Beckenbauer gegen Overath. Gespielt wurde noch nicht im Münchener Olympiastadion, sondern im kleineren Stadion an der Grünwalder Straße. Genau dort traf Réthy jetzt für den Dokudreh den damaligen Bayern-Torwart Sepp Maier. „Maier erzählte mir, dass die Leute, deren Wohnung hinter dem Tor war, bei Spielen immer das Fenster geöffnet haben. Nicht um das Spiel zu sehen, sondern weil sie Angst hatten, dass Mittelfeldspieler Franz Roth – Spitzname ‚Bulle‘ – ihnen die Scheibe einschießt.“

Auch Bestechung ist Thema

Auch die Schattenseiten der Liga spart die Doku nicht aus. Mit Ex-Stürmer Klaus Fischer spricht Réthy etwa über den Bundesliga-Skandal von 1971, bei dem gegen Geld der Ausgang von Spielen manipuliert wurde. Überführt wurden Trainer, Funktionäre und insgesamt 52 Spieler – darunter auch der damals 21-jährige Fischer. „Er nennt es den größten Fehler seines Lebens“, sagt Réthy. „Gerüchteweise gab es ja auch schon vorher Spielabsprachen. Inzwischen verdienen die Spieler aber alle so gut, dass die Gefahr geringer ist. Der einzige Vorteil des Kommerzes.“ Anders als zu Beginn der Liga sind die Spieler längst Profis. Die besten unter ihnen verdienen rund 20 Millionen Euro pro Jahr. Manche sind nicht mehr nur Fußballer, sondern Marken – inklusive sorgsam geplanter Social-Media-Posts und gescripteten Torjubels.

„Ich will nicht verklären, was früher war“, sagt Réthy. „Der Sport an sich ist schneller, athletischer, besser geworden. Sogenannte Jahrhundertspiele von damals waren oft doch ein ziemlich langweiliges Gekicke.“ Trotzdem hätten die alten Zeiten ihren eigenen Charme gehabt: „Bundesliga-Rekordspieler Karl Heinz Körbel verriet mir, dass sie in den 70ern vor Spielbeginn noch auf dem Platz einen Espresso getrunken haben. Und direkt davor hatten sie Schnitzel mit Sauce béarnaise gegessen! Man dachte: Ja, das sind zwar die besten Fußballer des Landes, aber trotzdem ging es ihnen auch darum, Spaß zu haben. Genau dieses Gefühl vermisse ich heute manchmal.“

Am 5. August läuft „Titel, Tore, tausend Träume“ um 23.00 Uhr im ZDF.

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