Doktorwürde mit 102 Jahren.

„Charité“: Das dramatische Leben der echten Ingeborg Rapoport

19.01.2021 um 17:06 Uhr

Erst mit 102 Jahren erhielt die Medizinerin ihre Doktorwürde, die ihr die Nazis verweigert hatten.

In Staffel 3 von „Charité“ (heute, 20.15 Uhr im Ersten) ist die 2017 im Alter von 104 Jahren verstorbene Ingeborg Rapoport eine der Hauptfiguren. Die ideal besetzte Schauspielerin Nina Kunzendorf spielt die pragmatisch-mutige und auch etwas unterkühlte Medizinerin, die immer wieder mit den Schwierigkeiten des Klinikalltags zu kämpfen hat und sich nicht unterkriegen lässt.

Couragiert setzt sie sich gegen ihren konservativen Gegenspieler Prof. Helmut Kraatz (Uwe Ochsenknecht) zur Wehr, um während der nicht einfachen Zeit des Mauerbaus viele kleine medizinische Wundertaten zu vollbringen: Mal rettet sie einen poliokranken Jungen, dann wieder ein Baby mit Gelbsucht.

Die ARD Krankenhaus-Serie zeigt ihren Werdegang im Ost-Berlin der frühen 1960er-Jahre. Das ist aber  nur ein kleiner Ausschnitt aus ihrem Leben, denn die Lebensgeschichte der „echten“ Ingeborg Rapoport ist so abwechslungsreich, dramatisch und faszinierend, dass man daraus einen abendfüllenden Spielfilm machen könnte.

Vor fünfeinhalb Jahren sorgte die Medizinerin im hohen Alter von 102 Jahren noch einmal für Schlagzeilen, als ihr in Hamburg der Doktortitel verliehen wurde, der ihr 1937 von den Nazis verweigert wurde. Rapoport wurde damit zur ältesten Neupromovierten der Welt.

Sie wurde 1912 als Ingeborg Syllm (ursprünglich: Sillem) im afrikanischen Kamerun geboren. Kurze Zeit später kehrten die Eltern nach Deutschland zurück, zogen nach Hamburg und ließen sich 1928 scheiden. Wie sie später erzählte, wollte die junge Ingeborg, schon früh Ärztin werden. Ihr Medizinstudium schloss sie 1937 mit dem Staatsexamen ab und schrieb als Assistenzärztin am Israelitischen Krankenhaus ihre Doktorarbeit zu Lähmungserscheinungen infolge von Diphtherie. Die Promotion wurde ihr aber von den nationalsozialistischen Hochschulbehörden verweigert, weil sie aufgrund ihrer jüdischen Großeltern mütterlicherseits als „jüdischer Mischling ersten Grades“ eingestuft wurde. Im September 1938 emigrierte sie in die USA, wo ihr Studium nicht anerkannt wurde.

Als Folge musste sie zwei weitere Jahre am Women’s Medical College of Pennsylvania in Philadelphia studieren, was ihr nur mithilfe eines Stipendiums möglich war. An der University of Cincinnati lernte sie den Mediziner Samuel Mitja Rapoport (in „Charité“ gespielt von Anatole Taubmann) kennen, den sie 1946 heiratete und mit dem sie vier Kinder hatte. Politisch standen beide Rapoports ganz links und engagierten sie sich in der Kommunistischen Partei der USA.

Kommunistin und linientreue DDR-Bürgerin 

1952 siedelte die Familie schließlich in die DDR über, wo sich Ingeborg Rapoport 1959 habilitierte. Im selben Jahr wechselte sie an die Charité, wo sie bis zu ihrer Emeritierung an der Kinderklinik tätig blieb. Die Rapoports waren privilegierte und linientreue DDR-Bürger, eine Tatsache, die auch in der ARD-Serie deutlich wird. Bis zuletzt hielt die hoch dekorierte Medizinerin, die auch SED-Mitglied war, an ihren Überzeugungen fest und verteidigte das DDR-Regime gegen „Verleumdungen“ aus dem Westen.

Dass sie später mit über 100 Jahren noch zu einer Berühmtheit wurde, verdankte sie Prof. Uwe Koch-Gromus, dem Dekan des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg. Er beschloss, der hoch betagten Berlinerin, die einst um ihren Doktortitel betrogen worden war, die entsprechende Prüfung nachträglich noch zu ermöglichen. Der Dekan lehnte es auch ab, Rapoport „nur“ mit einer Ehrenpromotion zu bedenken – „um der Gerechtigkeit willen, wie Koch-Gromus betonte.

Die mittlerweile 102-Jährige wurde in ihrer Wohnung geprüft, in der sie schon seit 1952 lebte – bei Saft und Keksen. Die Medizinerin hatte sich mithilfe von Freunden auf das Prüfungsgespräch vorbereitet, bei dem sie sich laut Koch-Gromus absolut auf dem Stand der aktuellen Forschung bewegt habe.

Hier könnt ihr den ungekürzten Artikel aus dem Hamburger Abendblatt lesen.

 

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