Einer härter als der andere!...
Einer härter als der andere!
Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
TV-Moderator Claus Kleber spricht im Interview mit TV DIGITAL über seinen Abschied vom „heute-journal“, seine journalistische Bilanz und seine Zukunftspläne
Den Titel „Bester Anchorman“ errang er in den vergangenen Jahren mehrfach. Doch heute (30. Dezember) wird Dr. Claus Kleber (66), seit 2003 Moderator des „heute-journals“, die Weltlage zum letzten Mal erläutern: Er geht in Rente. Ein Gespräch über Abschied und Anfänge.
Ein Interview von TV DIGITAL Chefreporter Mike Powelz
TV DIGITAL: Herr Kleber, warum hören Sie am 30. Dezember auf?
CLAUS KLEBER: Das ZDF und ich haben vor Jahr und Tag darüber gesprochen, dass irgendwann mal Schluss sein muss. Wir fanden, die letzte Sendung von 2021 wäre ein gutes Datum. Seitdem gilt für beide Seiten das gegebene Wort.
Aber fällt es Ihnen nicht besonders schwer, in einer Situation aufzuhören, die momentan politisch und gesellschaftlich dramatisch zugespitzt ist?
Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Das ist gerade wirklich kein guter Zeitpunkt, von Bord zu gehen. Jedenfalls für einen, der so gern Journalist ist.
Ab welchem Punkt wussten Sie, dass Sie Journalist werden wollten?
Mein größter Wunsch war schon als kleiner Junge, die Welt zu sehen. Ich dachte damals, dafür werde ich am besten Pilot. Ich wäre liebend gern für die Lufthansa um den Globus geflogen. Als ich mit 16 meinen Motorradführerschein machen wollte, fiel auf, dass ich eine Brille brauche. Also auch einen neuen Berufswunsch. Ungefähr zu der Zeit habe ich angefangen, mich für Politik zu interessieren. Da habe ich von Lufthansa-Kapitän auf ARD-Korrespondent in Amerika umgeschaltet. Der Rest hat sich dann ergeben.
Was haben Sie als die größten Meilensteine Ihrer Karriere empfunden?
Eigentlich alles. Ich habe mich schon ziemlich toll gefühlt, als ich als rasender Radioreporter in Diensten des Südwestfunks über die Schwäbische Alb fuhr und Bürgermeister, Landräte, Bauern und Protestbewegte interviewte. Mein Umzug nach Amerika mit 31 Jahren war für mich natürlich ein Riesenschritt – genau wie später mein Wechsel dort vom Radio zum Fernsehen. Wenn ich so zurückschaue, sieht mein Werdegang wahrscheinlich halbwegs konsequent aus. In Wirklichkeit lag an jeder Weggabelung ein großer Glücksfall.
Und was war Ihr größter journalistischer Coup?
Sorry, da sind keine Großtaten. Ich habe weder die CDU-Spendenaffäre noch Watergate aufgedeckt. Die einschneidenden Erfahrungen kamen meist ohne mein Zutun und unvorhersehbar, wie die Anschläge vom 11. September 2001. Damals habe ich aus Washington live für die „Tagesschau“ und hundert Sondersendungen berichtet. Und natürlich bleibt einem so was wie Interviews mit US-Präsidenten im Gedächtnis. Da gab’s vier: von Vater Bush bis Barack Obama. Noch eindrucksvoller waren oft Begegnungen, an die sich heute außer mir niemand mehr erinnert. Mir läuft es immer noch kalt den Rücken runter, wenn ich an General Hamid Gul denke, den ehemaligen Chef des pakistanischen Geheimdienstes und Erfinder der Taliban. Ein eiskalter Mann der Macht.
Was würden Sie heute rückblickend anders machen?
Ich finde, ich habe beruflich alles Entscheidende richtig gemacht. Und Glück gehabt. Non, je ne regrette rien. 2007 wurde Ihnen die begehrte Position des „Spiegel“-Chefredakteurs angeboten. Wie gern wären Sie es geworden? Ich war damals drauf und dran und hätte nur „Ja“ sagen müssen. Aber dann hat mir das ZDF den Abschied doch schwerer gemacht als erwartet. Mit einem Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Und ich bin geblieben. Bereut habe ich das nie. Die Entscheidung, beim ZDF zu bleiben, war die richtige.
An welchem journalistischen Leitsatz haben Sie sich all die Jahre orientiert?
Meine Leitbilder sind große US-Moderatoren wie Ted Koppel oder Peter Jennings, die man in Deutschland kaum kennt. Jennings hat Stil und Format gezeigt und gleichzeitig in Moderationen und Interviews gnadenlos auf den Kern der Sache gezielt.
Als langjähriger Anchorman des ZDF haben Sie nie verraten, wen Sie wählen. Jetzt dürften Sie es endlich.
Ich bin klassischer Wechselwähler. In den letzten Jahrzehnten bekam jede demokratische Partei schon mal meine Stimme.
Beim Kurznachrichtendienst Twitter sind Sie aktiv, auf der Social-Media-Plattform Instagram nicht. Warum?
Ich finde mich nicht sonderlich aktiv bei Twitter. Wenn Sie mal die Tweets zählen, die ich in 2021 gemacht habe, finden Sie wahrscheinlich ein paar Dutzend. Dabei kann sich Twitter schon lohnen. Man muss sich halt gut überlegen, wem man dort folgt. Ich nutze das fast nur passiv. Dabei bekommt man sehr schnell Themen und Einschätzungen, die ich sonst gar nicht oder viel später erfahren hätte. So genutzt ist Twitter eine Schatztruhe.
Und Instagram?
Instagram nutze ich selbst überhaupt nicht. Es macht mir zu viel Arbeit, und es kurvt dort zu viel Unsinn rum. Vor allem die Werbespots. Allerdings folge ich ein paar Menschen, die mir am Herzen liegen. Unseren Töchtern zum Beispiel.
Heißt das, Sie haben einen sogenannten Ghostaccount bei Instagram?
Ja, einen passiven Account. Unter dem Namen des ersten Fotografen, mit dem ich für den „Kölner Stadtanzeiger“ als rasender Reporter unterwegs war. Er lebt leider nicht mehr. Aber ich glaube, er wäre einverstanden.
Ihre Meinung über Bild TV?
Bild TV transportiert für mein Gefühl, und ich schaue da nur sehr gelegentlich rein, die Prioritäten und Gesetzmäßigkeiten des Blattes ins Fernsehen. Damit hat der Sender einen gewissen Erfolg, weil die Politik, getreu dem Spruch von Gerhard Schröder, die Glotze und die „Bild“ braucht, um zu wirken. Wenn Politiker das jetzt aus einer Hand kriegen, gehen sie da hin.
Wie beurteilen Sie die vielen Angriffe, die der Verlag Axel Springer seit einiger Zeit gegen ARD und ZDF startet?
Wir sind in einem Wettbewerb, der auch durchaus ein existenzieller ist. Im Krieg und in der Liebe ist alles fair – und die lieben uns halt.
Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer, hat in einer SMS an den Autor Benjamin von StuckradBarre Deutschland als „DDR-Obrigkeitsstaat“ bezeichnet – und den Ex-„Bild“- Chefredakteur Julian Reichelt, der wegen Machtmissbrauchs entlassen wurde, als „einzigen Journalisten“, der noch dagegen „aufbegehre“. Ihre Meinung zu dem journalistischen Skandal?
Was Döpfner da gesagt hat, ist „out of bounds“ – unter aller Kritik. Aber es war ein privates Hin und Her zwischen von Stuckrad-Barre und ihm. Das hätte es unter Gentlemen auch bleiben müssen!
Mit welchen Worten verabschieden Sie sich am 30. Dezember?
Das weiß ich noch nicht. Bisher habe ich es immer vermieden, am Ende der Sendung Floskeln abzuspulen. Ich werde probieren, nichts Floskelhaftes zu sagen. Wenn die Emotion das zulässt.
Werden Tränen fließen?
Das weiß man bei mir nie. Ich bin gefährlich nah am Wasser gebaut.
Drehen Sie weiter Dokus fürs ZDF? Und falls ja, in welchem Takt?
Den Takt kann ich noch nicht vorhersagen, aber ja, das ZDF möchte weitere Dokus haben, und ich würde sie gern machen. Momentan entwickeln Angela Andersen und ich eine Doku über die digitale Zukunft. Im zweiten Quartal 2022 soll sie fertig sein.
Ist es denkbar, dass Sie als Pensionär in der Politik aktiv werden und sich für irgendeine Partei aufstellen lassen?
Nein.
Schlussfrage: Interviewen Sie lieber, oder werden Sie lieber interviewt?
Ich interviewe lieber. Das ist ertragreicher. Was ich selber zu sagen habe, weiß ich ja schon.