Einer härter als der andere!...
Einer härter als der andere!
Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
Sein Bestseller wird zum achtteiligen Ökothriller: TV DIGITAL traf Frank Schätzing beim Setbesuch in Brüssel.
Ein perfekter Tag am Meer. Die See ist ruhig, die Sonne lässt das Wasser funkeln. Ein Boot mit einer Gruppe Menschen schippert ihr entgegen, die Stimmung an Bord ist heiter – als plötzlich der blanke Horror losbricht. Aus dem Nichts attackiert ein Wal das Boot, vor Angst schreiend stürzen die Passagiere über Bord, verzweifelt kämpfen sie um ihr Leben. Wieder auftauchen dürfen sie erst, als Regisseur Luke Watson laut „Cut!“ ruft. Doch der lässt seine Schauspieler noch viele Stunden im „Meer“ verbringen – in einem 15 mal 20 Meter großen Becken in Europas größtem Unterwasserstudio in Brüssel.
Warum so lange? Heute, am 16.9.2021, steht das spektakuläre Ende der ersten Folge der achtteiligen Serie „Der Schwarm“ auf Watsons Drehplan, und eine Hauptrolle spielt dabei eine Walattrappe, die erst später am Rechner zu einem lebendigen Wesen wird. 33 Grad heiß ist es im Studio, die Luftfeuchtigkeit ist beinahe unerträglich. Abkühlung gibt es für den Reporter immerhin nebenan, wo Frank Schätzing sich Zeit für ein ausführliches Gespräch über die Verfilmung seines Romans „Der Schwarm“ nimmt. Als er das Wasserstudio zum ersten Mal betrat, sei er überwältigt gewesen, berichtet Schätzing begeistert. „Seit drei Jahren arbeiten wir daran, aber erst in diesem Wassertank in Belgien ist mir sinnlich bewusst geworden, dass wir den ,Schwarm‘ tatsächlich verfilmen!“
Schätzings Reaktion ist verständlich: Bevor sich das ZDF entschied, den fast 1000 Seiten dicken Wälzer mit internationalen Partnern zu einer High-End-Serie zu machen, waren sogar Hollywood und Uma Thurman an der Umsetzung gescheitert. Als zu kompliziert und viel zu teuer galt die Verfilmung der epischen Geschichte um eine monströse Spezies namens „Yrr“, die sich aus dem Meer erhebt, um die umweltzerstörende Menschheit auszulöschen.
Ein Stoff, wie geschaffen für eine Thrillerserie – und die macht schon vor der Ausstrahlung Schlagzeilen als Deutschlands teuerste Serienproduktion: 40 Millionen Euro sind für die acht 45-minütigen Folgen kalkuliert. Neben Schätzing mit im Boot ist Showrunner Frank Doelger, ein ausgewiesener Spezialist für Mammutstoffe wie „Game of Thrones“ oder auch „Rome“. Er meint:
„,Der Schwarm‘ hat alles, was ein Monstermovie braucht – Science-Fiction, Horror, Wissenschaft, Abenteuer und eine ökologische Botschaft.“
„Wir reiben uns, raufen uns zusammen, normale kreative Prozesse“, erklärt Schätzing die Zusammenarbeit mit Doelger, aus der eine der besten Serien der Welt entstehen soll: „Frank betrachtet den Stoff mehr aus seiner Sicht als Produzent, ich mehr aus der Perspektive des Storytellers. Keinesfalls wollen wir das Buch Seite für Seite abfilmen. Es ist die Basis, die Hauptfiguren sind heilig, aber Vorrang hat, eine State of the Art-Serie zu machen, die den Vergleich mit den besten Serien der Welt nicht zu scheuen braucht. Der Roman selbst ist ja schon ein halber Film. Ich stelle mir also etwas visuell Innovatives vor, wagemutig und stilprägend. Zeitgemäß vor allem!“
Dabei nimmt sich die Serie einige Freiheiten gegenüber dem Roman. „Alles eskaliert früher, dabei dürfen wir nie die philosophische Tiefe verlieren. Wir stellen die großen Fragen unserer Existenz, das unterscheidet uns von Actionspektakeln“, so Frank Schätzing. „Wale, die in Kanada auf Boote springen, Würmer vor Norwegen, Havarien im Pazifik – die Erkenntnis, dass alles dieselbe Ursache hat, reift im Roman erst langsam. Heute wären diese Phänomene in Echtzeit im Netz, sie würden schneller miteinander verknüpft. Das verändert die Dynamik der Story.“
Auch bei den Protagonisten gibt es Veränderungen: „Es geht vor allem darum, die heutigen Kräfteverhältnisse abzubilden. Die Rolle Chinas, der UN, der Tech-Konzerne ... All das gehört in die Serie, und natürlich Fridays for Future, auch wenn wir sie nicht explizit so nennen. Fridays for Future haben die Gesellschaft nachhaltig verändert. Carla Reemtsma wirkt als Beraterin mit, wofür ich ihr sehr danke!“
Außerdem, so Schätzing, sei es ihm wichtig, die Figuren „in unsere Zeit“ zu holen, ohne sie zu „verbiegen“: „Im Buch gibt es den alten Professor Bauer. Ich liebe ihn, habe ihn trotzdem durch junge Wissenschaftler ersetzt. Wir brauchen mehr junge Gesichter. Mehr weibliche Präsenz! Bohrmann und Roche, im Roman Männer, sind jetzt Frauen. Das Buch ist ja schon ziemlich divers, aber es fehlten schwarze Protagonisten, also habe ich angeregt, die Rolle der Samantha Crowe mit einer schwarzen Schauspielerin zu besetzen.“ Jung, divers, alt, weiß - in einer „guten Story“ hätten „alle Platz“: „Meiner Erfahrung nach ist gerade das junge Publikum das offenste. Es will authentische Helden, keine auf korrekt getrimmten.“ Zudem dürfen mehr Protagonisten überleben. „Klar gibt es Todesfälle zu beklagen. Aber in einer Serie killst du nicht gleich alle deine Darlings.“
Das war ein Traum, Mitte der Neunziger, morgens um drei. Ich schwebte über einem Ozean und sah, wie sich unter der Oberfläche Fische, Wale, Monster zusammenrotteten, von Horizont zu Horizont. Dieser unfassbare Schwarm schwamm Richtung Küste, und mir war klar, die wollen uns loswerden. Das Leben in den Meeren hatte sich gegen die Menschheit verschworen! Ich wachte auf und dachte, cooler Stoff für einen Thriller, hatte auch gleich den Titel: „Der Schwarm“. Also schrieb ich die Idee auf einen Zettel und legte ihn in eine Schublade, wo er vor sich hin schlummerte. Jahre später, 1998 beim Whale Watching vor Vancouver Island, früh am Morgen, Dunstschleier über dem Meer, tauchte neben unserem Zodiac ein Buckelwal auf und sah mich an. Und mir fiel der Zettel wieder ein. In dieser mystischen Atmosphäre wusste ich plötzlich, wie das Buch funktionieren könnte. Das war die Initialzündung.
Bleibt nur eine Frage: Ist Schätzing auch in der Serie zu sehen? Der Autor verneint: „Den Cameo-Auftritt hab ich mir für Staffel zwei aufgespart. Mir ist wichtiger, kreativen Input zu geben.“ Bevor es aber so weit ist, zeigt das ZDF im Frühjahr 2023 erst einmal die erste Staffel - innerhalb einer Woche an vier Abenden.