„Die Bürgermeisterin“: Ex-Tatort-Kommissarin Anna Schudt wird zum Hassobjekt

24.10.2022 um 16:51 Uhr

Im neuen ZDF-Film „Die Bürgermeisterin“ versucht die engagierte Lokalpolitikerin Claudia Voss, sich gegen Anfeindungen der rechten Szene zu wehren. Erste Rolle für Anna Schudt nach ihrem Ausstieg beim Dortmunder „Tatort“.

Ein Artikel von TV Digital Reporterin Melanie Koch

Es braucht nicht viel, um einen Menschen einzuschüchtern. Drohungen im Internet, ein Brief mit Kot, ein beschmiertes Auto – schon wächst die Angst. Eine Erfahrung, die Claudia Voss (Anna Schudt) am eigenen Leib machen muss. Als die Bürgermeisterin von Neustadt-Linden sich öffentlich für die vom Landkreis beschlossene Flüchtlingsunterkunft einsetzt, wird sie zur Zielscheibe der rechten Szene. Bald steht ihr Haus unter Polizeischutz. Auch ihr Mann und ihre Tochter werden bedroht. Der Druck nimmt zu. Welcher Einsatz ist es wert, sich selbst und die eigene Familie in Gefahr zu bringen? Diese Frage stellt der ZDF-Film „Die Bürgermeisterin“ (Mo, 24. Oktober, 20.15 Uhr im ZDF) auf eindrückliche Weise.

Anna Schudt schlüpft in die Rolle der ambitionierten Politikerin. Voller Elan versucht sie, die Anwohner von den Plänen des Landkreises zu überzeugen. „Was ich an ihr bewundere, sind ihre unbedingten Überzeugungen, der Glaube an Solidarität“, sagt Anna Schudt im Gespräch. „Und daran hält sie bis zum Schluss fest, allen Widerständen zum Trotz.“ Wie stark das Aufbäumen der Kritiker gegen die Pläne sein würde, ahnt Voss zu Beginn allerdings noch nicht.

Engagiert und attackiert: Mit Fremdenhass und Angriffen auf Politikerinnen und Politiker greift das Drama ein Thema auf, das in den vergangenen Jahren auf traurige Weise immer aktueller wurde. (siehe Programmhinweis zur TV-Doku unten)

„Was mich bei meinen Recherchen besonders betroffen gemacht hat, war, dass Menschen, die sich eigentlich nur für die Gemeinschaft einsetzen, den gesamten Hass abbekommen“, sagt Drehbuchautor Magnus Vattrodt im Interview. „Das Ausmaß an Attacken steht überhaupt nicht im Verhältnis zu dem, um was es geht, geschweige denn zu dem Einfluss, den die Leute haben.“ Kommunalpolitiker engagieren sich – wie die Hauptfigur im Film – meist ehrenamtlich für ihre Gemeinde und werden dann plötzlich wegen einer Haltung zum Hassobjekt. Das Fatale: „Es sind normale Menschen und keine Profipolitiker“, so der Autor. „Das macht sie zwar nahbar, weil man einfach an ihrer Haustür klingeln kann, aber auch sehr verletzlich, weil sie völlig ungeschützt sind.“

Die Geschichte von "Die Bürgermeisterin" hat reale Vorbilder

Bei seinen Recherchen beschäftigte sich Vattrodt intensiv mit realen Vorbildern zu der Geschichte. Ein Fall ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: Markus Nierth, ehemaliger ehrenamtlicher Ortsbürgermeister in Tröglitz, Sachsen-Anhalt, geriet 2015 wegen einer Flüchtlingsunterkunft ins Zentrum des Hasses. „Genau wie die Figur in unserem Film hat er die Entscheidung für die Unterbringung nicht selbst getroffen“, sagt Vattrodt. „Er wollte sich nur dafür einsetzen, dass die Ankömmlinge herzlich willkommen geheißen und menschenwürdig behandelt werden.“

Dauerhafter Druck, durchgehende Angst: Zu oft enden solche Situationen mit psychischen oder körperlichen Leiden der Beteiligten. Wie sich die Situation langsam zuspitzt, zeigt auch der TV-Film beeindruckend authentisch. In ruhigen Bildern fängt er ein, wie die Familie von Claudia Voss zunehmend Sorge hat, vor die Tür zu gehen, wie Freunde der Tochter sich abkapseln – und wie selbst der eigene Betrieb allmählich gefährdet ist.

Unfreiwillig fängt Claudia Voss an, sich zu isolieren. Starke Darsteller und eine emotionale Geschichte: Vattrodt erhofft sich vom Film vor allem eines: „Es wäre schön, wenn die Zuschauer für die Arbeit der Kommunalpolitiker sensibilisiert werden und sehen, wie viel Einsatz dahintersteckt.“ Anna Schudt geht noch weiter: „Wir können bestimmte Bewegungen nicht verhindern. Aber wir können bei uns anfangen und für unsere Ansichten einstehen.“

Leben in Angst: Politiker als Feindbild

Mehr als jeder zweite Bürgermeister hat bereits Anfeindungen erlebt. Die ZDF-Doku „Wenn Politiker zur Zielscheibe werden“ (24.10., 21.45 Uhr) zeigt, wie Betroffene damit umgehen. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich des Themas angenommen: „Wenn Menschen aus Angst nicht wieder kandidieren oder aus Angst gar nicht erst in Verantwortung gehen, dann ist das unerträglich für die Demokratie.“

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