Alle haben weggesehen, es gab nichts zu beanstanden

„Die Kinder von Lügde“: TV-Doku über den Campingplatz des Grauens

18.11.2022 um 12:58 Uhr

Unfassbare Verbrechen und ein beispielloses Behördenversagen: Eine neue ZDF-Dokureihe rollt den Missbrauchsfall von Lügde neu auf.

Ein Artikel von TV Digital Reporter Hendrik Thies

Ein kurzer Name, der für langes Leiden steht: Lügde. Seit 2018 ist der Ort im Weserbergland untrennbar verbunden mit einem der schlimmsten Fälle von Kindesmissbrauch in Deutschland: Auf einem Campingplatz in Elbrinxen, einem Ortsteil der Kleinstadt Lügde, verübten mutmaßlich zwei Haupttäter über 20 Jahre lang ungestört Verbrechen an mindestens 32 Kindern. Als die Grausamkeiten schließlich auffliegen und die Täter verhaftet werden, beginnt die Aufarbeitung. Und die bringt schwerste Versäumnisse von Polizei, Jugendamt und weiteren Stellen zutage.

Die vierteilige Dokureihe „Die Kinder von Lügde“ (Fr, 18. November, 20.15 Uhr bei ZDFinfo) versucht jetzt herauszufinden, warum nicht bereits Jahre zuvor gehandelt wurde – was viel Leid hätte verhindern können. Da ist zum einen das direkte Umfeld des verurteilten Haupttäters Andreas V. Auf dem Campingplatz, auf dem er mehr als 30 Jahre in einem Wohnwagen mit angebauten Holzhütten lebte, war er gut integriert. „Der war im Grunde der Campingplatz-Animateur für die Kinder. Er war auch mal Platzwart, kannte alle. Für alle war er halt der Addi“, äußert sich der Lokaljournalist Erol Kamisli in der Doku.

Das Jugendamt hat nichts zu beanstanden

Aber auch der Polizei ist V.s Name seit 2002 bekannt, er taucht in internen Akten in Zusammenhang mit möglichen Sexualstraftaten auf. Über die Jahre folgen etliche weitere Hinweise, doch immer wieder wird ihnen nicht nachgegangen. Sie verschwinden im Archiv. Pflegetochter als Lockvogel Als Andreas V. 2016 die Obhut einer Pflegetochter zugesprochen wird, kommt ein Mitarbeiter des Jugendamts sogar persönlich vorbei, um die widrige Behausung unter die Lupe zu nehmen. Es gibt nichts zu beanstanden. Das Pflegekind wird in den Folgejahren nicht nur selbst zum Opfer, sondern auch als Lockvogel für weitere Kinder eingesetzt.

Trotz sich wiederholender Verdachtsfälle auf Pädophilie verlieren sich zwischen Polizei, Jugendamt, Familienhilfe die Zuständigkeiten. „Wenn alle einmal zusammengesessen hätten und ihre Informationen ausgetauscht hätten, wären diese schlimmen Dinge früher ans Licht gekommen“, sagt Martin Börschel, Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Fall Lügde. Die Doku, die auf künstlich erzeugte Spannung verzichtet und bei Schilderungen auf Illustrationen statt Symbolbilder setzt, lässt viele Beteiligte zu Wort kommen. Auch wenn es schwerfällt, für das Geschehene überhaupt Worte zu finden.

„Die Kinder von Lügde“: Fr, 18. November, 20.15 Uhr bei ZDFinfo und in der ZDF-Mediathek.

Tags:
Du willst mehr Entertainment-News?
FOLGE UNS AUF GOOGLE NEWS