"Er ging in allen Bereichen neue Wege"

„Herrhausen“: Packender Politthriller mit Oliver Masucci im Ersten

01.10.2024 um 18:23 Uhr

Packender Politthriller im Ersten: Der Zweiteiler „Herrhausen“ beleuchtet das Attentat auf den Chef der Deutschen Bank 1989 neu. Oliver Massuci brilliert dabei als visionärer Wirtschaftsboss, den jäh eine Bombe stoppt.

Ein Artikel von HÖRZU Reporter Sven Sakowitz

Der Knall der Detonation ist kilometerweit zu hören. Am 30. November 1989 wird Alfred Herrhausen, der mächtige Vorstandschef der Deutschen Bank, in Bad Homburg bei einem Attentat getötet. Das Mordwerkzeug ist ein Sprengsatz, der an einem abgestellten Fahrrad befestigt war. Als Herrhausens Dienstwagen auf dem Weg zur Arbeit durch eine Lichtschranke fährt, löst er die Explosion aus. Ein Metallstück verletzt Herrhausens Oberschenkelschlagader, der Manager verblutet noch vor Ort. Sein Fahrer Jakob Nix wird schwer verletzt.

Der Zweiteiler „Herrhausen: Der Herr des Geldes“ (ab Di, 1. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten) erzählt jetzt in einem Mix aus Filmbiografie und Politthriller von den letzten Jahren im Leben des Bankchefs sowie von den Umständen und Ungereimtheiten rund um seinen Tod. Zwar fand sich damals ein Bekennerschreiben der Roten Armee Fraktion (RAF) am Tatort. Doch die Verantwortlichen konnten bis heute nicht ermittelt werden. Zudem gab es früh Spekulationen über Mitwisser – oder ganz andere Täter. Denn Herrhausen hatte sich mit seinen Ideen viele Gegner gemacht. So forderte er einen Schuldenerlass für Länder der sogenannten Dritten Welt und wollte die Deutsche Bank komplett neu aufstellen. Außerdem organisierte er mit Bundeskanzler Helmut Kohl Milliardenkredite für die Sowjetunion. Dadurch erhoffte man sich zu Recht eine Zustimmung der Sowjets zu einer möglichen Wiedervereinigung. Eine Aktion, die sowohl die Stasi als auch die CIA auf den Plan rief.

Die linksextreme RAF hasste Herrhausen gemäß ihrer Ideologie ohnehin. Die Idee zu „Herrhausen“ hatte die preisgekrönte deutsche Film- und Fernsehproduzentin Gabriela Sperl. „Das Thema beschäftigt mich schon seit dem Tag des Anschlags“, sagt Sperl im Gespräch mit HÖRZU. „Damals hieß es sofort, es sei die RAF gewesen. Aber die sogenannte dritte Generation der RAF hatte gar nicht die Schlagkraft, so etwas allein auf die Beine zu stellen. Außerdem hätte die RAF Herrhausen bei anderen Gelegenheiten jederzeit töten können. Dieser Hightech-Mord war ein Statement. Umso erstaunlicher, dass man nie konsequent nach den Tätern gesucht hat. Vielleicht hätte es in der Phase der deutschen Wiedervereinigung aber auch einfach gestört?“

Akribische Vorbereitung und Hilfe durch die Witwe

Etwa vier Jahre haben Gabriela Sperl, Drehbuchautor Thomas Wendrich und einige Mitarbeiter für die Geschichte recherchiert. „Wir haben jeden lebenden Zeitzeugen, der mit uns sprechen wollte, und jedes Archiv belagert, um mehr über die Ereignisse herauszufinden“, sagt Sperl. „Eine große Hilfe war Traudl Herrhausen, die Witwe von Alfred Herrhausen. Sie hat uns viele Zugänge ermöglicht und wertvolle Hinweise gegeben. Und sie bat uns, vor allem die Spuren der Täter zu verfolgen.“

Bei den Archiven dagegen rannte Sperl nicht gerade offene Türen ein. „Es war erstaunlich, wie vehement unsere Anfragen zum Beispiel von US-Archiven abgewiesen wurden und dass der Name Herrhausen in keinem einzigen Stasi-Archiv auftaucht. Da wurde offensichtlich gründlich aufgeräumt, und das halte ich für sehr verdächtig.“ Autor Thomas Wendrich ist Spezialist für politische Stoffe. So schrieb er zum Beispiel das Drehbuch zum preisgekrönten Fernsehfilm „Die Täter: Heute ist nicht alle Tage“ (2016) über die Terrorgruppe NSU. „Der Film behauptet nicht, Herrhausens wahre Mörder genau zu kennen“, sagt er. „Dafür gibt es noch viel zu viele offene Fragen. Es ging mir aber darum, von der unwahrscheinlichen RAF-AlleintäterThese wegzukommen und zu zeigen, dass Herrhausens Feinde auch ganz woanders zu finden waren. Es war für mich als Autor eine spannende Aufgabe, die Möglichkeiten seines Ablebens in Form eines Thrillers erzählen zu können.“

Oliver Masucci war der Wunschkandidat von Produzentin Gabriela Sperl. Und er spielt die Hauptrolle glänzend. „Herrhausen war ein genialer Vordenker, der politische und finanzielle Macht gebündelt hat, um seine Bank und letztlich Deutschland und die Welt gestalten zu können“, sagt Masucci. „Er ging in allen Bereichen neue Wege und traf auf Widerstände von Menschen, die ihm intellektuell unterlegen waren und am liebsten alles so lassen wollten, wie es war. Gegen diese Kräfte musste er sich mit aller Entschlossenheit durchsetzen. Sein Tempo, seine Ungeduld, seine intellektuelle Brillanz waren Herrhausens hervorstechendste Merkmale, die ich in der Rolle zum Ausdruck bringen wollte.“

Wie aber setzt man so einen Stoff fürs TV um? „Dieser Film erzählt viel über unsere eigene Geschichte und sollte auf keinen Fall nach klassisch deutschem Geschichtsfernsehen aussehen“, sagt Regisseurin Pia Strietmann. „Stattdessen war es uns wichtig, mit modernen filmischen Mitteln einen spannenden Film zu kreieren, der erzählerisch und filmisch mit internationalen Produktionen mithalten kann.“ Sie betont: „Natürlich sollen Filme das Publikum vor allem gut unterhalten. Dieser hier geht über reines Entertainment hinaus, hat noch eine politische Komponente: Ich erhoffe mir von der Ausstrahlung, dass uns bewusst wird, dass die Aufklärungsarbeit zu der Ermordung von Alfred Herrhausen nicht abgeschlossen sein sollte.“

Einschalten? Unbedingt!

"Herrhausen – Der Herr des Geldes":  1 + 2 Di, 01.10., 20.15 Uhr, 2 + 3 Do, 03.10., 20.15 Uhr im Ersten, alle Teile in der ARD-Mediathek.

ARD-Doku "Herrhausen – Die Macht des Bankers": Do. 03.10. , 23.25 Uhr im Ersten

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