Einer härter als der andere!...
Einer härter als der andere!
Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
Ein Versicherungsmitarbeiter wird im neuen "München Mord"-Fall tot aufgefunden, angeblich ein Herzinfarkt. War es dennoch Mord? Zum Jahresauftakt widmen sich die drei ungewöhnlichen Ermittler einem Toten mit Doppelleben, frommen Verdächtigen - und vor allem dem titelgebenden Gefühl der Angst.
Angst ist ein starkes Gefühl. Plötzlich ist sie da, nur langsam verschwindet sie wieder. Bei einigen bleibt sie auch, manchmal für immer. Wie sie Menschen lähmt, verändert und steuert, zeigt der aktuelle Fall der Krimireihe "München Mord", die sich derlei ernsten Themen bekanntermaßen mit dem nötigen Augenzwinkern annimmt. Und Humor, so heißt es, ist schließlich der größte Feind der Angst. "Nix für Angsthasen" ist passenderweise die 20. Folge betitelt, mit der die drei ungewöhnlichen Ermittler nach der besonders grotesken Episode "Die indische Methode" ins neue Jahr starten. Wobei: Normal scheint auch diesmal kaum etwas bei den Kellerkommissaren, die im Fall eines toten Versicherungsmitarbeiters ermitteln, der durch einen Herzinfarkt ums Leben kam. Kann es dennoch Mord gewesen sein?
Unauffällig sei der tot an seinem Arbeitsplatz aufgefundene Bojanski gewesen, bescheinigen die Kollegen, die auch einer veritablen Versicherungspersiflage entsprungen sein könnten, "Komischer Fall, ein Toter und um den Toten rum lauter Originale", fasst Kommissarin Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen) zusammen, die mit ihren Kompagnons Ludwig Schaller (Alexander Held) und Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier) mal wieder (selbstverschuldet) im Dunkeln tappt. Regisseur und "München Mord"-Routinier Matthias Kiefersauer, der zusammen mit Alexander Liegl auch das Drehbuch schrieb, bevölkert seinen Film mit zahlreichen schrägen Charakteren, die für eine Menge Witz und überraschende Wendungen sorgen.
Schnell wird klar, dass der Tote kein "Langweiler" war, sondern ein ziemlicher Hallodri mit Doppelleben: Zwei Frauen, beide schwanger von ihm, wussten nichts voneinander. Die erste in den Sinn kommende Frage, die sich die Kommissare stellen: Wie hat er das nur gemacht? Die zweite lautet natürlich: Wollte sich eine der Betroffenen rächen? Einig sind sich die Betrogenen, die sich erst eifersüchtig zoffen und dann zusammentun, in ihrem Urteil über den Verblichenen: "Arsch!"
Doch Bojanski schien nicht nur Frauenheld zu sein, sondern auch echte Heldentaten vollbracht zu haben: Einst vereitelte er einen Raubüberfall und rettete dabei eine Frau - gemeinsam mit einem Helfer, der sich nun völlig verängstigt meldet. Max Hämmerle, gespielt von einem herausragenden Sebastian Bezzel, glaubt an einen "Rachemord" des kürzlich aus der Haft entlassenen Räubers. Nachdem er sich selbst erst als Polizist ausgegeben hat - eine feine Anspielung auf den "Eberhoferkrimi" - ist er außer sich vor Panik. "Hat er sie bedroht?", haken die Ermittler nach - "Ja, gelächelt hat er", illustriert er tragikomisch - wie der gesamte Krimi - die einschüchternde Macht der Angst. Seine Figur, sagt Bezzel im Interview zum Krimi, habe "fast schon panische Angst". Dies sei etwas, so der 53-Jährige, "das man in der Gesellschaft bei Corona gesehen hat. Die Menschen haben immer mehr Angst bekommen und am Ende komplett überreagiert auf die Situation".
Aber reagiert er wirklich über? Kann man dem angeblich geläuterten "Monster" Viktor Schratz (überzeugend: Michael Kranz) trauen, der nun als tiefgläubiger Christ auftritt ("Zuhören, reden, backen und beten")? Was die Resozialisierung angeht, weiß der Chef Helmut Zangel (Christoph Süß) jedenfalls Bescheid: "Bayern ist auf diesem Gebiet wie auf vielen anderen absolute Champions League." Auch im ersten Fall des Jahres hagelt es massenhaft herrliche Bonmots. Dass "München Mord" wieder gekonnt Unsinn mit Lebensklugheit zu verbinden weiß - dafür sorgt abermals auch Kommissar Schaller ("Respekt ist zeitlos"), der sich zudem erneut in eine brisante Lage bringt.
Eine prominente Hauptrolle übernimmt die Angst mit ihren Mythen. Niemand hat gern Angst und keiner kann was dafür, und es ist immer das Ungewöhnliche, das Angst mache - so lauten die Allgemeinplätze, die der wieder sehr unterhaltsame Krimi genüsslich zitiert und seziert. "Für so was hab ich keinen Platz im Leben", spiegelt Neuhauser vortrefflich einen Archetypus von Mann, dem das alles "zu Psycho" ist. "Ich hab keine Angst, ich bin nur vorsichtig", illustriert hingegen die Kollegin eine andere Art der Verdrängung, bevor sie sich vollends ins Groteske flüchtet: "Wer in Trudering aufwächst, der hat keine Angst." Und dann wäre da ja noch die Frage: Kann man einen Menschen töten, indem man ihn ängstigt?
Geheimnisse umranken nicht nur den Toten und seinen Fall, sondern auch die Ermittlerin. die bezüglich ihrer beruflichen Zukunft etwas verheimlicht. Will sie ihren Job für eine Musikkarriere an den Nagel hängen? "Wenn wir zwei dir nicht mehr gut genug sind, dann werde ohne uns glücklich", trotzen die Kollegen ihrem Einwand, sie sei doch Künstlerin. Bis zum Schluss gibt es nur Anspielungen: "Sie haben doch in dieser Band gespielt, Fleischplanet. Wo sie damals diese Kuhaugen mit nem Tennisschläger ins Publikum geschossen haben", lautet noch so ein genial irrer Dialog. - Und dann gibt es noch einen kurzen Gastauftritt der Sportfreunde Stiller, mit denen die Kommissarin in deren Songzitaten spricht. Für solche Ideen muss man "München Mord" einfach lieben.
Getragen wird der angespannt-amüsante Krimi von der allpräsenten, doch humorvoll dekonstruierten Angst, von abenteuerlichen Mysterien um einen Toten - und natürlich von einem wieder wunderbar aufspielenden Ermittlertrio, das sich selbst in aberwitzige Dialoge und Situationen begibt. Auch 2025 bleibt der quotenstarke Krimi aus der bayerischen Hauptstadt seinem bewährten Rezept treu: aufregende Fälle, drei Loser-Polizisten und ein absonderliches Drumherum. Dass das gern so bleiben darf, wünschen sich auch die Macher - und lassen Neuhauser dann doch irgendwann gestehen, dass er Angst habe: "um uns drei, weil wir was Besonderes sind, und das darf man nicht kaputtmachen." Dem ist wohl auch aus Sicht der Krimifans nichts hinzuzufügen.
Weiter geht es für die Kellerkomissare dann im nächsten Fall. der sich zumindest im Titel an eine weitere bekannte deutsche Band anlehnt: "Im Zweifel für den Zweifel" heißt nicht nur ein beliebter Tocotronic-Song, sondern auch der 21. Film aus der Reihe, in dem sich das Trio mit einem toten Chefkoch auseinandersetzt. Ein Ausstrahlungstermin steht noch nicht fest.