Natascha Kampusch: Hass für eine Frau, die 8 Jahre gefangen war?

Als zehnjähriges Mädchen wurde Natascha Kampusch von ihrem Entführer mitten aus dem Leben gerissen und für über acht Jahre in einem Keller eingesperrt. Ein unfassbares Verbrechen! Eigentlich müsste man das Opfer, das sich schließlich aus eigener Kraft befreien konnte, feiern und ihr nur das Beste fürs weitere Leben wünschen. Doch bei Natascha Kampusch war das anders.

Viele Menschen betrachteten sie nach der Befreiung nach anfänglichem Mitgefühl mit Skepsis. Es gab viel Hass und Häme in den sozialen Medien. Die junge Frau, die Schreckliches erlebt hatte, wurde offen angefeindet. Nüchtern betrachtet ist das absolut absurd. Wie konnte das passieren? In der Reihe „Der Fall“ auf YouTube erklärt Kriminalpsychologin Lydia Benecke, wie aus einem Entführungsopfer plötzlich ein Hassobjekt werden konnte.

Ein zu starkes Opfer?

„Sie musste einen Alltag überleben mit einem extrem gefährlichen Täter, der auch ständig mit dem Tode drohte und sie auf jede Art über Jahre systematisch misshandelt hat. Und sie hat selbst immer wieder gesagt, dass sie das nur überleben konnte, indem sie ihre Stärke in sich behalten hat“, so Lydia Benecke.

Aber genau diese Stärke wurde Natascha Kampusch in der Öffentlichkeit zum Verhängnis. Das Bild, das Menschen von einem Opfer haben, passte nicht mit „Stärke“ überein. Also wich das Mitgefühl bei vielen Menschen und Skepsis gewann Oberhand. Natascha Kampusch wurde angegriffen und beschimpft. Schließlich schrieb man ihr sogar eine Mitschuld an ihrer eigenen Entführung zu.

„Der Fall“ zeigt in knappen 9 Minuten die Entwicklung im Entführungsfall, geht auf die mediale Wirkung ein und auf die Frage, wie ein Opfer in der öffentlichen Meinung sein sollte. Auch die Reaktion Natascha Kampuschs auf den Hass wird thematisiert. Lydia Benecke begleitet die Bilder mit Analysen und Erläuterungen.

„Der Fall“ ist das Gesellschafts-Crime-Format von funk, dem Gemeinschaftsangebot der ARD und des ZDF. Die Videos der Reihe sind bei YouTube und in der ZDF- und der ARD-Mediathek abrufbar.