Einer härter als der andere!...
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Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
Ein Jahr nach der Machtübernahme der Islamisten reiste Reporter Thilo Mischke durch Afghanistan. Seine Doku zeigt ein zerstörtes Land – mit kleinen Oasen der Hoffnung.
Ein Artikel von TV Digital Reporter Sven Sakowitz
Es war die jüngste Katastrophe in einem an Katastrophen nicht gerade armen Land: Vor fast genau einem Jahr zogen die letzten westlichen Truppen aus Afghanistan ab, die radikal-islamistischen Taliban übernahmen wieder die Macht. Vor allem Frauen werden von den neuen Herrschern erbarmungslos unterdrückt. Sie müssen sich verhüllen, werden mit aller Macht aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Wer dagegen protestiert, riskiert den Tod. Wie ist heute die Lage am Hindukusch? Wie geht es den Menschen? Diesen Fragen geht der Journalist Thilo Mischke in seiner neuen Doku „Afghanistan im Griff der Taliban“ (Mo, 29.08., 20.15 Uhr, ProSieben) nach, für die er drei Wochen durchs Land reiste.
Der 1981 in Ostberlin geborene Mischke wird oft als „Extremreporter“ bezeichnet, ist auf Berichte aus Krisengebieten und Dokus über vernachlässigte Themen spezialisiert. So berichtete er unter anderem aus dem Bürgerkriegsland Mali und traf sich mit deutschen IS-Terroristen in Syrien. Besondere Aufmerksamkeit erlangte Thilo Mischke aber 2020 mit einer Reportage aus Deutschland: Für „Rechts. Deutsch. Radikal.“ (Pro Sieben) recherchierte er 18 Monate lang in der heimischen rechtsextremen Szene. Vor allem beim jungen Publikum stieß er damit auf großes Interesse.
„Nach Afghanistan bin ich gereist, weil mich sehr bewegt hat, wie schnell das Interesse an diesem Land bei uns wieder nachgelassen hat“, sagt Thilo Mischke im Gespräch mit TV DIGITAL Reporter Sven Sakowitz. „Ich hatte das Gefühl, dass es nach der Machtübernahme durch die Taliban eine Welle der Solidarität mit den Menschen aus Afghanistan gab. Und dann war das Thema nach zwei Wochen erledigt. Es kann doch nicht sein, dass Deutschland als Nato-Partner 20 Jahre in dem Land aktiv ist und dabei auch viele Fehler macht – und dann hört unsere Verpflichtung dem Land gegenüber einfach auf.“
2018 war Thilo Mischke schon einmal für eine Reportage vor Ort am Hindukusch und hat aus dieser Zeit noch einige Kontakte, die ihm diesmal bei der Vorbereitung und Durchführung seiner Reise halfen. Von den neuen Machthabern bekam er ein Dokument, mit dem er die Erlaubnis für Dreharbeiten nachweisen konnte. Mischke war mit einem kleinen Team unterwegs, zu dem unter anderem ein Personenschützer, ein Übersetzer und zwei Afghanen mit Ortskenntnissen gehörten. Außerdem war ein ehemaliger Bundeswehrsoldat dabei, der die aktuelle Lage mit jener zur Zeit seines Einsatzes verglich.
„Einige wenige Termine und Interviews hatte ich vorab fest geplant“, sagt Mischke. „Aber ich bevorzuge es, einfach loszufahren. Weil ich vorher nie wusste, was passiert, war dort jeder Tag ein neues Abenteuer.“ Dazu gehörten auch Begegnungen mit Taliban-Kämpfern. „Gastfreundschaft wird in Afghanistan traditionell großgeschrieben“, sagt Mischke.
„Ich wurde noch nie so oft von Terroristen zum Abendessen eingeladen. Obwohl ich aus einer für sie feindlichen Welt komme, hieß es: ,Es gibt jetzt erst mal Gurkenwasser, Reis und Brot – und wir unterhalten uns.‘“
Seine kritische Haltung verliere er dann nicht: „Für einen Moment hat mich das vielleicht auch mal eingelullt. Aber mir war ja trotzdem immer bewusst, was für ein furchtbares Regime die Taliban aufbauen, was sie dem Land antun.“
Den bewegendsten Moment habe er am Ende seiner Reise erlebt. „Einer unserer afghanischen Begleiter fuhr uns zu einer Schule“, berichtet Mischke. „Wie sich he[1]rausstellte, war er der Schulleiter und hatte ein kleines Paradies aufgebaut. Als er die Tür öffnete, sahen wir unverschleierte Lehrerinnen, fröhliche Mädchen auf dem Hof. Als ich eine Lehrerin fragte, was sie unterrichtet, sagte sie ganz selbstverständlich: ,Na, Englisch und Computer Science.‘ Da sind mir und dem ganzen Team die Tränen gekommen. Diese Oase der Normalität und der Hoffnung inmitten dieses zerstörten Landes hat uns sehr berührt.“
„Afghanistan im Griff der Taliban“: Mo, 29.08., 20.15 Uhr bei ProSieben und bei Joyn.