NDR-Report über Verkehrstauglichkeit im Alter

Rentner am Steuer: Sind fahrende Senioren eine Gefahr?

25.10.2021 um 18:08 Uhr

Rentner rast in Schaufenster, weil er Bremse mit Gaspedal verwechselt: Ältere Verkehrsteilnehmer stehen immer öfter in der Kritik. Sollen Fahrtests Pflicht werden? Auch die neue NDR-Reportage „Wie sicher fahren Senioren?“ beschäftigt sich mit diesem Thema.

Ein Pro und Contra Faktencheck von HÖRZU-Reporter Kai Riedemann

Autos müssen alle zwei Jahre zum TÜV, Autofahrer nur einmal im Leben – wenn sie die Führerscheinprüfung machen. In Deutschland gilt die Fahrerlaubnis zeitlich unbegrenzt. Deshalb streiten Verbände, Unfallforscher, Autoclubs und Politiker seit Jahren über verpflichtende Checks für die ältere Generation.

Fahren Senioren tatsächlich unsicherer? „So pauschal kann man das nicht sagen“, widerspricht Torsten Buchmann vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). „Das Geburtsdatum allein sagt nichts darüber aus, ob jemand fahrtüchtig ist.“

Sprich: Ein 25-Jähriger kann genauso Probleme im Straßenverkehr haben wie ein 75-Jähriger. „Das zeigt ein Blick auf die Unfallstatistik“, betont Buchmann. „Schwere Unfälle ereignen sich eher bei den 18- bis 24-Jährigen, während die über 64-Jährigen im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil seltener betroffen sind.“ Die aktuellen Zahlen: Von den 273.817 Beteiligten an Pkw-Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2020 hatten 39.882 ein Alter von mindestens 65, also nur 14,6 Prozent. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt jedoch 21,8 Prozent. Die 18- bis 24-Jährigen waren hingegen mit 16,2 Prozent beteiligt, obwohl sie nur 7,5 Prozent aller Einwohner stellen.

Zahlenspielerei? Fakt ist schließlich auch, dass die Risiken zumindest ab 75 steigen. „Wird diese Altersgruppe in einen Unfall verwickelt, ist sie meist der Hauptverursacher“, betont Torsten Buchmann. Konkret: Im letzten Jahr trugen drei Viertel (76 Prozent) der Pkw-Fahrer im Alter von mindestens 75 Jahren die Hauptschuld an Unfällen, an denen sie beteiligt waren. Erfahrung schlägt Leichtsinn Im Alter können Seh- und Hörvermögen sowie Reaktionsfähigkeit langsam nachlassen, das ist eine Tatsache. „Doch diese Punkte kann man durch Erfahrung und Hilfsmittel ausgleichen“, sagt DVR-Experte Buchmann. Brillen und Hörgeräte gehören in Deutschland zum Lebensalltag. Außerdem fahren Senioren umsichtiger und weniger leichtsinnig: Bei Jüngeren liegen als Unfallursachen überhöhte Geschwindigkeit und zu geringer Abstand vorn, bei den Älteren sind es Nichtbeachten der Vorfahrt und Fehlverhalten beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren.

Könnten verbindliche Fahrchecks die Sicherheit auf den Straßen erhöhen?

Bundesverkehrsministerium und DVR lehnen Pflichttests bislang ab. „Die Zahlen rechtfertigen solche Maßnahme nicht“, erklärt Torsten Buchmann. In zahlreichen anderen Ländern müssen Senioren hingegen regelmäßig zum Check, etwa in Italien, Spanien, Dänemark, Finnland und der Schweiz. Mit Erfolg? „Auf die dortigen Unfallraten hat das keine Auswirkungen gehabt“, stellt Buchmann klar. Außerdem handelt es sich meist nur um Gesundheitsprüfungen wie Sehtests. Sinnvoller scheint der freiwillige Nachhilfeunterricht“ zu sein.

Darauf setzt auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat. „Das Programm ‚Sicher mobil‘ ist speziell für ältere Menschen ab 65 Jahren gedacht“, so Torsten Buchmann. „Ganz gleich, ob sie mit dem Auto, dem Fahrrad, dem Pedelec oder zu Fuß unterwegs sind.“ In kleinen Gruppen von acht bis 20 Personen werden gängige Regeln aufgefrischt, neue erklärt und Gefahrensituationen erläutert. Außerdem geht es darum, die eigene Leistungsfähigkeit und Gesundheit besser einzuschätzen. DVR-Partner wie ADAC und ACE bieten solche Kurse bundesweit an.

Zusätzlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die eigene Fahrfitness zu verbessern, etwa bei Trainingseinheiten auf einem Übungsgelände oder sogenannten begleiteten Rückmeldefahrten im eigenen Pkw. Dabei analysiert ein Experte, meist ein Fahrlehrer, die Stärken und Schwächen des Fahrers. Das Ergebnis erfährt nur der Teilnehmer selbst, weder eine dritte Person noch eine Behörde. Die Senioren entscheiden dann selbst, wie sie mit den Empfehlungen umgehen – um möglichst lange sicher mobil zu bleiben.

„Wie sicher fahren Senioren?“:  Report über die Verkehrstauglichkeit im Alter. Aus der Reihe „45 Min“, Mo, 25. Oktober, 22 Uhr im NDR

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