Einer der provokantesten Filme des deutschen Kinos

Saufen, vögeln, töten: TV-Premiere für das verstörende „Wintermärchen“

15.02.2022 um 18:06 Uhr

Der Terror-Trip „Wintermärchen“ ist ein fesselnder Albtraum aus Sex und Gewalt, der beim Zuschauen einen bleibenden Eindruck hinterlässt und gleichzeitig eine Zumutung ist.

Mit dem „Wintermärchen“ hat Jan Bonny einen Film über den NSU-Terror inszeniert, ohne die Hintergründe der grausamen Terrorattacken gegen Ausländer in Deutschland zu erklären. Dadurch kann der Film aber auch auf das völkisch-ideologische Gefasel der beteiligten Personen verzichten, dass der rechten Terrorzelle eine gesellschaftliche Bedeutung geben würde, die sie nicht verdient hat. Am 15. Februar feiert der umstrittene Film nun seine TV-Premiere bei 3sat (22.55 Uhr).

Darum geht’s in "Wintermärchen"

Tommi (Thomas Schubert) und Becky (Ricarda Seifried) leben in einer viel zu kleinen und heruntergekommenen Wohnung in Köln. Ihr Leben ist dominiert von Frustration und Langeweile. Das überträgt sich auch auf ihr Sexleben, denn von Lust und Leidenschaft ist hier keine Spur zu finden. In Wahrheit hält es das Paar kaum noch zusammen aus. Der „Traum“, als Terrorzelle Ausländer zu ermorden, vereint die beiden jedoch.

In ihrer ideologischen Verbohrtheit sehen sie sich schon als Speerspitze einer Revolution. Sie wollen Helden sein, die Pioniere einer neuen Zeit. Und sie wollen, dass es zwischen ihnen wieder besser wird. Doch die Fantasie zerschellt kläglich an den Fakten ihres Lebens im Untergrund: eine kahle Wohnung, knappes Geld, Hunger und ständiger Frust. Ein falsches Wort, und die oft gereizte Stimmung schlägt in Beleidigungen und Demütigungen um.

Angefangen haben Tommi und Becky als selbst beschworene Fantasie von Bonnie und Clyde, mittlerweile schaffen sie es nicht mal mehr, miteinander zu ficken, geschweige denn, einen Mord zu begehen. Es muss sich dringend was ändern. Und dann ist Maik plötzlich da, er soll bei ihnen mitmachen. Aber Maik (Jean-Luc Bubert) geht das ewige Rumsitzen in der Bude wahnsinnig auf die Nerven. Er ist ein Mann der Tat, und für Rumlabern und Pläneschmieden ist er nicht gekommen. Im Gegensatz zu Tommi fällt ihm das Töten leicht. Das imponiert. Es dauert nicht lang, da entscheidet sich Becky für ihn und gegen Tommi. Doch auch Tommi stellt fest, dass er Maik für seine Kaltschnäuzigkeit bewundert, ja ihn sogar begehrt.

Der Film von 2019 zeigt das Leben der rechtsnationale Terroristen als eine endlose Aneinanderreihung von Sex, Gewalt und Leere und ist damit das komplette, experimentelle Gegenteil der bemühten ARD-Trilogie „Mitten in Deutschland: NSU„ von 2016. Die Mitglieder des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe stammten aus Jena, lebten ab 1998 untergetaucht in Chemnitz und Zwickau und ermordeten zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin. Im November 2011 wurden Mundlos und Böhnhardt tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Zschäpe wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der ZEIT-Kritiker Oliver Kaever schrieb bei der Kinopremiere vor vier Jahren: „Wintermärchen ist wie ein eitriger Pickel, der ausgedrückt wird. Es tut weh und sollte sorgfältig geschehen. Letztlich aber bleibt auch dieser Film ratlos angesichts der Bösartigkeit menschlichen Handelns.“

 „Wintermärchen“: Di, 15. Februar, 22:55 Uhr bei 3sat

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