Einer härter als der andere!...
Einer härter als der andere!
Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
Humorvoll klärt Food-Experte und Koch Sebastian Lege mit Nachbauten aus seiner eigenen Laborküche immer wieder im ZDF darüber auf, wie die Nahrungsmittelbranche bei der Herstellung spart und trickst. Diesmal wird Toastbrot und Mortadella unter die Food-Lupe genommen.
Ein Artikel von HÖRZU Redakteurin Bettina Koch
Er lebt am Stadtrand von Düsseldorf, wuchs aber in Bremen auf, und er ist Deutschlands lustigster Lebensmittelaufklärer – also eine norddeutsche Schnodderschnauze oder rheinische Frohnatur? „Ich bin ein hanseatischer Rheinländer“, findet Lege, „in meiner Zuverlässigkeit hanseatisch, aber im Sozialverhalten rheinländisch – mein Großvater war Kabarettist, hat mit Rudi Carrell gearbeitet“, erklärt er sein humoristisches Naturell. Kollege Nelson Müller entdeckte den Koch als Food-Experten fürs Fernsehen. Zuvor hatte Lege als stellvertretender Küchenchef etwa für Arabella-Sheraton-Hotels gearbeitet, aber auch in der Lebensmittelindustrie.
„Ich habe mich fortgebildet als Fachkraft für Lebensmitteltechnik, wollte meinen Horizont erweitern“, schildert Lege. Seit bald elf Jahren klärt der 46-Jährige nun in der ZDF-Dokureihe „Besseresser“ über Tricks der Lebensmittelindustrie und von Gastronomiebetrieben auf. Mit launigen Sprüchen, Arbeitermütze und viel Fachwissen zeigt er in der eigenen Laborküche anschaulich, wie Lebensmittel, die im Supermarktregal liegen, entstehen.
In der aktuellen Folge führt er das Toastbrot vor. Es hat eine kurze Zutatenliste. Doch deswegen ist es nicht gleich gesund. Der hohe Anteil an Weißmehl ist offensichtlich – weniger, dass es viel Zucker enthält. Bei einigen Sorten steht umstrittener Invertzucker auf der Zutatenliste. Er schmeckt verführerisch fruchtig, sodass man gern nach einer weiteren Scheibe greift, und er hat einen höheren Fruktoseanteil als aus Zuckerrüben gewonnener Haushaltszucker. Dadurch ist der Sättigungsgrad geringer.
Lege mixt den Sirup zum Teig und demonstriert, wie dieser als Feuchthaltemittel dient. Dank ihm bleiben die Scheiben in der Packung weich. „Sonst hat man bald Zwieback“, kalauert Lege. Mindestens zur Hälfte besteht Toast zudem aus Luft! Lege macht das sichtbar, indem er den Laib in eine Presse legt. Nebenbei erfahren Zuschauer Qualitätsmerkmale guten Brotes: Krume und Elastizität, die bei handwerklich hergestelltem Brot durch langes Kneten und Ruhezeiten entstehen. Traditionsprodukt Mortadella „Und keiner merkt, dass man die Wurst trinken könnte“, feixt der aufklärerische Entertainer in seinem Beitrag zu Supermarktkopien der italienischen Wurstspezialität Mortadella.
Während das Original gebacken wird und dadurch seinen Geschmack erhält, schummelt sich bei den in Plastik angebotenen Scheiben ein Wunderstoff namens „Globoost“ ins Produkt. „Es verdoppelt die Menge, verbessert die Farbe und muss nicht deklariert werden“, so Lege. Der Trick: Das Pulver verbindet Eiweißmoleküle und Wasser. Da es aus natürlichen Bestandteilen gewonnen wird, die Wurst ohnehin enthält, steht es nicht auf der Zutatenliste. Doch wegen des erhöhten Wasseranteils muss der Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat das Aroma ersetzen. Mogelpackung püriertes Obst Lege schildert all das, ohne „Skandal“ zu rufen. Es bleibt den Zusehern überlassen, ob sie solche Zutaten in Kauf und zu sich nehmen möchten. Es geht nicht um verbotene Stoffe, sondern um zugelassene, die häufig in verarbeiteten Lebensmitteln stecken.
Wütend kann der sonst stets gut gelaunt wirkende Lege trotzdem werden: wenn es um Lebensmittel für Kinder geht. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland mehr als 135 Millionen sogenannte Quetschies verkauft – eine Produktkategorie, die vor zehn Jahren noch niemand kannte. In Plastikbeuteln ist Obstbrei portioniert, den Kleinkinder allein und kleckerfrei nuckeln können.
Doch an gute Ernährungsgewohnheiten führen die Beutel nicht heran: Weder die Kaumuskulatur, die wichtig für die Sprachentwicklung ist, wird trainiert noch die Geschmacksbildung. Lege findet das ärgerlich: „Die günstige Basiszutat ist stets Apfelpüree, egal welche Obstsorte auf der Packung steht.“ Der hohe Zuckergehalt fördert durch das Nuckeln Karies und Übergewicht durch die Gewöhnung an Süßes. Zudem verursachen die Beutel Plastikmüll. Lege filmt in einer Sortieranlage, um zu veranschaulichen, dass die Beutel nicht verwertet werden, da sie aus Verbundmaterialien bestehen. „Gebt den Kindern doch lieber einen Apfel“, ermuntert er Eltern.
Bei ihm zu Hause wachsen Zwiebel, Gurke und Karotte im Hochbeet sowie sogenannte Microgreens auf der Fensterbank – das sind Keimlinge und Jungpflanzen zum Beispiel von Erbsen, Radieschen und Roter Bete. Rundum vorbildlich also? „Ich esse sehr natürlich, aber zu viel“, schränkt er ein. Er meidet Zucker und kauft kaum im Supermarkt. „Mein Fett kommt vom Fett“, scherzt Lege, „ich esse gern Butter und zu viel tierische Produkte. Ich liebe gutes Essen!“
Wie kommt er damit klar, dass die Testesser in seiner Sendung oft das Industriemahl bevorzugen? „Das ist nicht verwunderlich, das ist gelernter Geschmack“, sagt er und wünscht sich: „Wir sollten in Kitas und Schulen unsere heranwachsende Gesellschaft kulinarisch prägen und eine emotionale Verbundenheit für gute Lebensmittel aufbauen.“ Eine Zuckerobergrenze fürs Essen in Kindergärten und Schulen fände er einen Anfang.
"Lege deckt auf: Die Tricks der Lebensmittelindustrie in Toastbrot & Co.": Di, 13. August, 20.15 Uhr im ZDF