Diesmal gibt's kein Telefonvoting

"Sie sagt. Er sagt.“: Dem neuen Schirach-Film fehlt etwas

26.02.2024 um 17:43 Uhr

Eine Frau behauptet, ihr Ex-Geliebter hätte sie vergewaltigt. Er sieht sich als Opfer ihrer Lügen. Wem glauben Gericht und Zuschauer im neuen #MeToo-Film von Ferdinand von Schirach? Das lässt sich nach der Ausstrahlung heute Abend im ZDF leider nicht sagen.

Ein Artikel von TV Digital Reporter Mike Powelz

Hat der Unternehmer Christian Thiede (Godehard Giese) die TV-Moderatorin Katharina Schlüter (Ina Weisse) vergewaltigt? Vor dem Berliner Landgericht steht Aussage gegen Aussage. Schlüter räumt ein, dass sie mit dem Angeklagten eine langjährige Affäre hatte, die beide vor ihren Ehepartnern geheim hielten. Als diese endete, habe er sie in seiner Wohnung sexuell missbraucht. Die psychischen Folgen der Tat hätten sie ihre Karriere und ihren guten Ruf gekostet. Ihr Anwalt (Matthias Brandt) führt an, allein die Tatsache, dass sie diesen Prozess angestoßen habe, beweise, dass sie im Recht sei – schließlich verlöre sie mit dem Gang an die Öffentlichkeit nicht nur ihren Mann, sondern auch ihre Kinder.

Thiede wiederum behauptet, Schlüter wolle sich mit der falschen Anschuldigung dafür rächen, dass er die Affäre beendet habe. Wer sagt die Wahrheit? Darauf gibt es keine Antwort, zumal sowohl der Angeklagte als auch sein vermeintliches Opfer beim Lügen ertappt werden.

In dem Kammerspiel von Jurist und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach („Der Fall Collini“) sind die Zuschauer aufgefordert, sich eine eigene Meinung zu bilden. Damit steht „Sie sagt. Er sagt.“ in der Tradition seiner beiden Theaterstücke, die auch fürs TV verfilmt wurden: In „Terror“ (2016) ging es um die Frage, ob man eine voll besetzte, in die Hände von Terroristen geratene Passagiermaschine abschießen darf, um einen Anschlag zu verhindern. In „Gott“ (2020) sollten die Zuschauer entscheiden, ob das Gericht einem lebensmüden 78-Jährigen erlauben darf, mithilfe eines todbringenden Medikaments Suizid zu begehen. Anders als bei „Terror“ und „Gott“ gibt es diesmal kein Telefonvoting – und auch kein Urteil. Das ist schade, denn zu gern hätte man gewusst, auf welche Seite sich das Publikum schlägt.

Doch auch so ist es spannend, den Prozess zu verfolgen. Godehard Giese fasst den Reiz des Projekts im Interview mit HÖRZU folgendermaßen zusammen: „Das Interessante an dem Film ist, dass er die Lösung bewusst offenlässt und die Zuschauer auf sich selber zurückwirft. Denn jeder von uns hat einen anderen Blick auf das Thema. Uns selbst dabei zu beobachten, wo wir beispielsweise Vorurteile haben oder voreingenommen sind, finde ich spannend.“

„Sie sagt. Er sagt" - Mo, 26. Februar, 20.15 Uhr im ZDF und in der Mediathek

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