Einer härter als der andere!...
Einer härter als der andere!
Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
Caren Miosga spricht im XXL-Interview über ihren neuen Polit-Talk, der am Sonntagabend TV-Premiere im Ersten feiert.
Wie Ihr neues Studio aussieht, ist noch topsecret. Was sie verdient natürlich sowieso. Ansonsten aber gibt Caren Miosga im Interview mit TV DIGITAL gern erste Einblicke in ihre Politik-Talkshow, die am Sonntagabend (21. Januar, 21.45 Uhr im Ersten) erstmals auf Sendung geht. "Deutschland steht am Beginn eines unruhigen Jahres. Was sich gerade politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich tut, wollen wir hinterfragen und besser verstehen", sagt Caren Miosga.
In ihrer Premierensendung diskutiert die 54-jährige Moderatorin mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, ZEIT-Journalistin Anne Hähnig und Soziologie-Professor Armin Nassehi über die CDU. Das Thema der ersten Sendung lautet entsprechend: „Merz richtet die CDU neu aus – wird Deutschlands Zukunft konservativ?“
Ein Interview von TV Digital Chefreporter Mike Powelz
Caren Miosga, wie hat es sich ergeben, dass Sie für Anne Will nachrücken und bald eine eigene Talkshow moderieren? War das schon immer Ihr berufliches Ziel?
Caren Miosga: Ehrlich gesagt charakterisiert mich in meiner ganzen Laufbahn, dass ich nie eine Art Fünfjahresplan hatte. Die Dinge haben sich tatsächlich so ergeben. Irgendwann hat der Sender mich gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, längere Gespräche zu führen. Das hat mir gefallen, weil ich in den „tagesthemen“ meist Interviews in einer Länge von sechs bis maximal zehn Minuten führen konnte. Und dass ich jetzt Zeit zum Nachfragen habe - empfinde ich als ziemlichen Luxus.
Heißt das, hinter den Kulissen gab es gar keinen Pitch, wer sich durchsetzt und das beste Konzept einreicht?
CM: Das müssten Sie den Sender fragen. Nein, ich bin schlicht gefragt worden.
Gucken Sie vermehrt Polit-Talkshows, seit Sie wissen, dass Sie Anne Wills Nachfolge antreten?
CM: Nein, Polit-Talkshows habe ich auch vorher schon regelmäßig geschaut – weil ich es interessant finde, Debatten zu verfolgen – zumal in einer Live-Situation - und Spitzenpolitikern und -politikerinnen dabei zuzusehen, wie sie sich verhalten, wenn sie nicht so schnell aus kontroversen Gesprächen herausflutschen können.
Wie hoch, auf einer Skala von null bis zehn, ist aus Ihrer Sicht der Erkenntnisgewinn bei Polit-Talkshows?
CM: Der Erkenntnisgewinn schwankt zwischen null und zehn. Dass wirklich sehr viel dabei herumkommt – und eine volle Zehn erreicht wird – geschieht allerdings selten. In heutigen Zeiten wissen Spitzenpolitiker genau, dass sie auf Social Media sehr schnell eine Debatte losstoßen können. Sich dessen bewusst sind sie in ihrer Wortwahl noch vorsichtiger und versucht, in jeder Antwort, die sie geben, vor allem ihre Botschaft unterzubringen. Will man sie dabei nicht ständig unterbrechen, bekommt man viele Antworten, bei denen sich der Erkenntnisgewinn in Grenzen hält. Aber wenn man – wie ich – bald die Zeit hat, nachzufragen, kann man natürlich schon das eine oder andere Neue erfahren. Dabei liegt der Reiz gar nicht immer darin, eine Breaking News-Schlagzeile zu generieren.
Worin denn stattdessen?
CM: Das Schöne am Fernsehen ist ja zu beobachten, wie sich jemand verhält, wie er oder sie etwas sagt oder nicht sagt, wie die Körpersprache ist, welche Sprache er oder sie benutzt und wie er oder sie die Wortwahl rechtfertigt. Das sind alles Nuancen, die viel über die Menschen aussagen - und somit auch über ihre Entscheidungen und ihre Art, Politik zu betreiben.
Stichwort Polit-Talkshow: Finden Sie den Begriff Show in dem Kompositum gerechtfertigt?
CM: Nein, ich finde den Begriff „Polit-Talkshow“ ohnehin nicht schön und zudem auch nicht angemessen. Inszenierter Streit und Krawall passen nach unserem Empfinden nicht in diese unruhige Zeit. Stattdessen halte ich es lieber mit einer politischen Gesprächsrunde – und finde den Begriff „politisches Gespräch“ viel adäquater als „Polit-Talkshow“.
Wie grenzt sich Ihr Polit-Talk von „Sandra Maischberger“ ab?
CM: Der größte Unterschied liegt darin, dass „Maischberger“ Gäste zu mehreren Themen der Woche einlädt; wir sprechen über eines. Außerdem haben die Sendungen unterschiedliche Strukturen; Sandra Maischberger lädt drei Kommentatorinnen und Kommentatoren ein, das Welt- und Politikgeschehen einzuordnen, bevor sie mit Politikern diskutiert. Wir wollen Beobachter mit den politisch Handelnden ins Gespräch bringen.
Planen Sie mehr Einzelgespräche als Will?
CM: Ja, wir würden gern mehr Redezeit für weniger Gäste ausgeben, was auch ein Unterschied zu „hart, aber fair“ ist, wo bislang ja vor allem auf große Debattenrunden gesetzt wird.
Stimmen die kolportierten Gagen und Kosten von „Business Insider“?
CM: Wenn ich Olaf Scholz wäre, würde ich mich jetzt erst mal für die schöne Frage bedanken… Aber im Ernst: Bei Verträgen gibt’s immer Verschwiegenheitsklauseln. Deswegen darf ich mich dazu nicht äußern.
Nach welchen Kriterien planen Sie das neue Studio?
CM: Als wir mit der Planung begannen, haben wir uns Stimmungen und Attribute überlegt, von denen wir denken, dass sie gut zu uns passen. Diese Ideen haben wir dann mit Leuten besprochen, die Studios bauen und solche Konzepte entwickeln.
Warum übernehmen Sie nicht Wills Studio? Das wäre doch kostengünstiger.
CM: Das Studio hatte ja schon einige Jahre auf dem Buckel. Und eine neue Sendung braucht immer auch einen neuen Anstrich. Dabei sind wir insgesamt – das stand ja auch in der Zeitung und ich kann es bestätigen – um einiges günstiger.
Wäre Wills letzte Talkausgabe – „Die Welt in Unordnung. Ist Deutschland den Herausforderungen gewachsen?“ – theoretisch auch ein Thema, das bei Ihnen stattfinden könnte? Oder überlegen Sie sich prinzipiell ganz anders formulierte Titel bzw. Untertitel?
CM: Wie genau unsere Titel formuliert werden, steht noch nicht ganz fest. Was ich aber jetzt schon sagen kann, ist, dass uns in diesem Jahr die dauervirulenten Themen wie Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine oder der Krieg in Nahost leider wohl genauso beschäftigen werden wie Anne Will im vergangenen Jahr.
Für wie viele Jahre sind Sie unter Vertrag? Und wie lange wollen Sie „Caren Miosga“ moderieren?
CM: Ich habe mir noch nie einen Plan gebastelt, wo ich im Jahr X sitze. Deswegen lasse ich die neue Herausforderung erst mal auf mich zukommen und dann schaue ich weiter, wie viele Jahre daraus werden.
Keine Sorge, dass Sie nach X Jahren ein ganzes Stück fertiger oder gestresster aussehen?
CM: Nein, ich habe 16 Jahre „tagesthemen“ moderiert – teils mit zwölf bis 14 Stunden pro Arbeitstag. Angesichts dessen bin ich ziemlich stressresistent und habe keine Furcht davor.
Stichwort Moderations-Coaching: Kriegen oder machen Sie eins?
CM: Ich bin gerne im Austausch mit Leuten, die etwas davon verstehen. Von konstruktiver Kritik und Vorschlägen kann man immer etwas lernen.
Haben Sie eine Klamottenvorgabe? Müssen Sie beispielsweise einen Hosenanzug tragen? Oder darf es im Sommer auch mal ein Sommerkleid sein?
CM: Selbst in der „tagesschau“ tragen die Sprecher ja nicht mehr durchgehend eine Krawatte. Und bei politischen Talkshows können wir uns und die Gäste sich ganz entspannt so kleiden wie sie wollen.
Gefühlt, zumindest ist das die Wahrnehmung vieler Zuschauer, sieht man in Polit-Talkshows zu oft die immer gleichen Gäste. Wie wirken Sie dem Gefühl entgegen, dass immer dieselben Nasen dabei sind?
CM: Diesbezüglich muss ich die Kollegen der anderen Talkshows ein bisschen in Schutz nehmen, da alle ganz sicher immer wieder bemüht sind, auch weitestgehend unbekannte Gäste zu finden, die interessante Dinge zu sagen haben. Dass es dann am Ende trotzdem häufig bereits bekannte Gesichter sind, liegt auch daran, dass nicht wenige Menschen eine nachvollziehbare Angst davor haben, vor Millionen von Leuten im Fernsehen zu sprechen.
Welchen Anspruch haben Sie mit Ihrer Sendung?
CM: Wir würden uns freuen, wenn es gelänge, gelegentlich jene Phrasen aufzuspießen, mit denen geübte Politikerinnen und Politiker immer wieder wortreich nichts sagen. Wenn es uns gelingt, ab und an einen wahrhaftigen Moment zu erhaschen von jemanden, der aus seinen Sprachschablonen raustritt, dann ist viel erreicht. Und natürlich muss ich dazu meinen Teil beitragen. Der von mir sehr geschätzte Roger Willemsen hat immer gesagt: eine gute Frage ist die, auf die ich noch keine Antwort kenne. Also muss ich auch gute Fragen stellen. Vielleicht bekomme ich dann auch eine gute Antwort.
Sie könnten obendrein ein bisschen mit Finten arbeiten und sich von Bully Herbig und LOL inspirieren lassen. Da geht es ja um Mikromimik. Wie wäre es denn auf die Metaebene zu gehen und zu sagen: „Herr Habeck, Ihr Gesicht sagt aber was anderes. Also mikromimisch hat das da gerade so gezuckt, jetzt klären Sie das doch mal auf.“
CM: Was ein gutes Interview ausmacht ist nicht nur die Frage, was gesagt wird, sondern auch, wie es gesagt oder nicht gesagt wird. Dass ich als Fragenstellerin für das Publikum auch das ausspreche, was es ohnehin sieht – beispielsweise, in dem man sagt: „Sie antworten ja gar nicht“, oder: „Ihre Mimik hat sich merklich verändert“. „Warum beginnen Sie zu schreien?“, oder: „Warum benutzen Sie in jeder zweiten Antwort immer dieselbe Formulierung? Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Oder war das jetzt etwa spontan?“ Das ist eine Ebene, die auf jeden Fall zum Interview dazugehört. Und jetzt habe ich auch die Zeit dazu.
Neue Elemente, was könnten die sein?
CM: Da müssen Sie sich überraschen lassen. Natürlich wird Einiges anders aussehen, und natürlich bin ich ein anderer Mensch. Aber Eines ist auch klar: ein politisches Gespräch ist ein politisches Gespräch und bleibt ein politisches Gespräch.
Warum stemmen Sie „Caren Miosga“ mit Ihrer eigenen Produktionsfirma?
CM: Das ist ein normaler Weg, den der Sender deswegen am liebsten geht, weil man extern effizienter und auch kostengünstiger produzieren kann.
Talken Sie vor Publikum?
CM: Ja, wir werden Publikum haben.
Wie ist Ihr geplanter Umgang mit der AfD? Bühne bieten - ja oder nein?
CM: Ich finde die Formulierung „Bühne“ falsch, weil dahinter der Vorwurf steckt, dass wir die AfD noch größer machen würden. Das ist Quatsch, weil die AfD die öffentlich-rechtlichen Medien nicht braucht. Sie hat ein großes Social Media-Netz, erreicht ihre Wähler ohnehin. 2024 ist es in Bezug auf die anstehenden Landtagswahlen in drei ostdeutschen Ländern, in denen die AfD ziemlich weit oben liegt, wichtig, mit den Vertretern der AfD auch zu sprechen. Rechtsextreme Vertreter werden wir nicht einladen. Und wir haben auch kein Interesse daran, jene bei uns zu haben, die unentwegt selbstgebastelte Lügengebäude verbreiten. Aber es gibt schon auch Vertreter der AfD, die daran interessiert sind, ein konstruktives Gespräch zu führen - beispielsweise jene AfD-Kommunalpolitiker, die plötzlich das, was sie versprochen haben, auch in die Realität umsetzen müssen.
Aber Björn Höcke wäre raus?
CM: Ja.
Wie halten Sie es mit dem Gendern?
CM: Das habe ich bislang nicht getan. Ich habe überhaupt nichts gegen das Gendern. Es liegt mir nur einfach nicht auf der Zunge. Solange es nicht in meinem Sprachgebrauch ist, will ich es mir nicht aufzwingen.
Wie funktioniert das, wenn der mächtige NDR und der noch mächtigere WDR, nach der BBC immerhin der zweitgrößte Sender Europas, hinter den Kulissen um die besten Gäste kämpfen? Gibt es da in Abgrenzung zu Maischberger Absprachen mit Ihnen?
CM: Selbstverständlich treffen wir Absprachen und werden uns immer einigen, wer wann wo sitzt. Das ist nicht immer einfach, denn natürlich gibt es manchmal zentrale Personen in bestimmten Debatten. Mal kriegt dann der eine den Zuschlag, mal der andere. Das sollten wir sportlich und freundschaftlich halten.
Ist die Außenperspektive, dass es hinter den Kulissen einen „Kampf um Top-Gäste“ gibt, übertrieben?
CM: Ja, weil es kein Kampf ist, sondern ein gesunder Wettbewerb.
Günther Jauch hat die ARD nach dem Ende seiner Talkshow als „Gremien voller Gremlins“ bezeichnet. Mit Recht?
CM: Ich muss die von Günther Jauch so betitelten Gremlins ein wenig in Schutz nehmen; ich kenne viele von ihnen. Die Gremien haben oft gute Ideen und sehen zum Beispiel, wenn die politischen Talkshows einander zu sehr gleichen oder zu oft die gleichen Gesichter dort sitzen. Solche Punkte kritikvoll anzumelden ist wichtig, wir brauchen diese Kontrollinstanz. Was Günther Jauch aber wohl auch meinte, ist, dass man gelegentlich schneller zu Entscheidungen kommen möchte. Wenn viele Leute mitreden, kann das ein anstrengender Entscheidungsprozess sein. Die ARD ist eben wie eine kleine BRD, manchmal mühsam und zäh, aber im Kern ein prima System.