TV-Kritik "The Drag and Us"

Diese neue ZDF-Serie ist eine Frechheit

31.08.2021 um 11:34 Uhr

Wer die Hoffnung hatte, die ZDFneo-Sitcom "The Drag and Us" würde ihren (lustigen) Teil dazu beitragen, die LGBT-Community besser im TV zu repräsentieren, sieht sich getäuscht. Hier findet keine reelle Repräsentation statt - im Gegenteil - und lustig ist die Serie auch nicht.

Wie jemand beim ZDF auf die Idee kommen konnte, einen Teil der Verantwortung für eine Komödie mit einer Dragqueen in die Hände von Ex-"Hausmeister Krause" Tom Gerhardt (Co-Autor) zu legen, ist ein Rätsel. Gerhardt mag ein netter Mensch sein und seine Zielgruppe glücklich machen, aber dass sein TV-Humor auf derben Klischees beruht - auch solchen über Männer und Frauen - dürfte bekannt sein.

Darum geht's in "The Drag and Us"

Aber kommen wir erst einmal zum Inhalt. "The Drag and Us" - Start im TV bei ZDFneo und in der Mediathek am 31. August 2021 - erzählt von einer Mutter (Paula Paul), die einen Schlossereibetrieb schmeißt und ihre zwei Söhne allein erzieht. Der ältere von den beiden untervermietet sein Zimmer zur Urlaubsfinanzierung an Christian, einen schwulen jungen Mann (Ralph Kinkel), der als Dragqueen Cathérine auf der Bühne steht, und das Familienleben mit Herz und Humor durcheinanderwirbelt.

 

Drag als Klischee und Homophobie als Scherz

In einer Sitcom geht's nicht um philosophischen Tiefgang oder fein ausgearbeitete Charakterstudien, klar. Aber dieses Drehbuch, das offensichtlich gewollte übertriebene Spiel und die Witze machen doch sprachlos und erinnern an früheres Laientheater auf dem Lande, in dem der Auftritt eines Mannes in Frauenkleidern schon für große Heiterkeit sorgte und es kein Problem war, Schwule per se als belachenswert zu porträtieren.

Letzteres war sicher nicht die Absicht der Serienmacher*innen. Das schrille Porträt von Cathérine hat mit tatsächlichen Dragqueens, ihrem Showtalent, ihren individuellen Alter Egos, ihrem scharfen Witz und kunstvollen Glamour aber sehr wenig zu tun. Die holzschnittartige Schlichtheit, mit der Kinkel als Cathérine agiert und wohl agieren soll, ist ärgerlich, falsch und bestenfalls eine verpasste Chance.

Zum Thema Homophobie zitieren wir den Kollegen von queer.de mit seinem berufeneren Urteil, der Folgendes anmerkt:

"Immer wieder ist "The Drag and Us" übrigens nicht nur hochnotpeinlich, sondern auch richtig ärgerlich. Der Sexismus und die Homo- und Transfeindlichkeit von Teenager Nikki nämlich werden zwar dezent als etwas markiert, das es im Verlauf der Serie zu beheben gilt. Lachen soll man über Sätze wie "Er… sie… es… hat also in meinem Bett geschlafen?" aber gefälligst trotzdem."

Sexismus wir nebenbei auch noch mitgeliefert, zumindest wenn wir der Pressemittelung glauben: "Als Cathérine, eine glamouröse, theatralische, aber warmherzige Dragqueen, einzieht,  ändert sich das schlagartig, denn es ist ihr nicht nur ein Anliegen, Franzi zu erinnern, was es heißt Frau zu sein, sondern auch den Jungs beizubringen, wie man(n) eine Dame zu behandeln hat."

Eine taffe Frau, die gleichzeitig Unternehmerin und alleinerziehende Mutter ist und in praktikablen Klamotten ihren Alltag meistert, ist also irgendwie unweiblich und muss an ihr Frausein "erinnert" werden?

Lacher aus der Konserve und Fazit

Dass man sich bei all diesen Fakten für Lacher aus der Konserve entschieden hat, um die Zuschauer zu animieren, ist nachvollziehbar, trägt aber zusätzlich zum verstaubten Flair bei.

Fazit: Nicht ansehen. Dass so eine Serie produziert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Deshalb ist'ss auch keine übertriebene Kritikerinnen-Dramatik, hier von einer Frechheit zu sprechen. Denn statt die selten gebotene Plattform im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für eine ehrliche, coole, angemessene, authentische und witzige Repräsentation der spannenden Welt der Dragqueens zu nutzen, setzt man hier auf grimassierendes Sitcom-Theater mit unangenehmem Retro-Feeling.

Ein Tipp zum Schluss: Wer Lust auf eine weit bessere öffentlich-rechtliche Serie zum Thema schwules Leben heute hat, sollte sich "All you Need" in der ARD-Mediathek anschauen.

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