"Tatort"-Kommissarin in neuem ARD-Drama

"Ungeschminkt": Adele Neuhauser als Josefa - früher Josef

13.11.2024 um 13:33 Uhr

Die Frau, die als Junge aufwuchs: „Tatort“-Star Adele Neuhauser über ihre Rolle als Transmensch. Ein Aufruf zu mehr Toleranz und Mitgefühl.

Ein Artikel von TV DIGITAL Chefreporter Mike Powelz

Eine Frau kehrt nach Jahrzehnten in die Heimat zurück, wo sie einst grausames Unrecht erlitt. Auf den ersten Blick zeigt der Fernsehfilm „Ungeschminkt“ (Mi, 13. November, 20.15 Uhr im Ersten) auffällige Parallelen zu Friedrich Dürrenmatts Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“. Doch anders als im Bühnenwerk von 1956, in dem es um ein nach früher Schwangerschaft verstoßenes Mädchen ging, ist das Thema der neuen Produktion aktueller: Filmheldin Josefa (Adele Neuhauser) war für ihre Familie früher Josef (Riccardo Campione) und entschloss sich zur Geschlechtsangleichung.

Die Handlung setzt ein, als Josefa, die 40 Jahre nicht mehr die Heimat besuchte, vom plötzlichen Tod ihrer Mutter erfährt. Sie ist zutiefst bewegt. Woran ist die Mutter gestorben? Warum hat niemand Josefa benachrichtigt? Wird sie beim Erbe bedacht werden? Die Transfrau beschließt, eine Reise in ihre Vergangenheit anzutreten. Doch in ihrem Heimatdorf trifft sie auf Menschen, die allesamt schlecht auf sie zu sprechen sind und sie behandeln wie eine zur Schau gestellte Kuriosität.

Noch immer ist sie dort für alle Josef, der junge Mann, der sich in seinem Körper fremd fühlte und von allen gemobbt wurde. Auch Blume (Ulrich Noethen), der einst beste Kumpel, und Petra (Eva Mattes), damals Josefs Ehefrau, hegen wegen der Geschlechtsangleichung noch Groll. Nach einer behutsamen Annäherung an die beiden lüftet Josefa ein schreckliches Geheimnis. Kann das den Beginn eines neuen Lebens markieren? Oder im Gegenteil das Ende von allem?

Betreut wurden die Macher des Films von „Sensitivity-Beraterin“ Julia Monro, einer Expertin, die bereits den Kinofilm „Bis ans Ende der Nacht“ begleitete, für den die österreichische Transfrau Thea Ehre 2023 mit dem Silbernen Bären als beste Nebendarstellerin geehrt wurde. Angst und Wut als ständige Begleiter Monro betont: „Bei ‚Ungeschminkt‘ war es mir wichtig, Verletzungen von Transpersonen zu vermeiden.“

Das, so die 43-Jährige, beträfe auch Dialoge und Begriffe im Film. Ein Beispiel: „Josef wird nicht zu Josefa, da das den Eindruck vermittelt, Geschlecht wäre eine freie Wahl. Das ist es aber nicht. Josefa war immer Josefa, sie wurde lediglich von Dritten fremdbestimmt und zu Josef gemacht. Eine ‚Geschlechtsumwandlung‘ gibt es also gar nicht, die Menschen werden außen vielmehr an das Innere angeglichen. Man müsste eher von einer Korrektur sprechen. Die meisten verwenden den Begriff ‚Geschlechtsangleichung‘.“

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Mehr Mitgefühl und Sensibilität fordert auch Adele Neuhauser. Im Exklusiv-Gespräch mit TV DIGITAL sagt die Schauspielerin: „Um mit großer Empathie an die Geschichte herangehen zu können, habe ich mir Dokumentationen angeschaut, mit Transmenschen gesprochen und viel über das Thema gelesen. All dieses Material hat mir dabei geholfen, mich auf die Geschichte vollends einzulassen.“ Ihr eigenes Leben, so die 65-Jährige weiter, habe sie tatsächlich „mit viel Empathie ausgestattet“.

Neuhauser hatte nach der Trennung ihrer Eltern bereits mit zehn Jahren einen Suizidversuch unternommen, später folgten weitere. „In sehr jungen Jahren – und auch später noch ziemlich lange – haben mich Angst und Wut und Verzweiflung begleitet. Rückblickend waren das Erfahrungen, die mich auf eine Art und Weise aufgeladen haben, dass ich aus ihnen noch heute schöpfen kann.“ Kritikern, die dem Film vorwerfen, nur auf ein „Modethema“ zu setzen, entgegnet sie: „Das ist respektlos. Bei solchen Themen geht es um eine offenere, empathischere, freiere Gesellschaft. Was deren Verwirklichung betrifft, sind wir schon auf einem ganz guten Weg.“

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