Neue ZDF-Show „Wiedersehen macht Freude!“

Pastewka & Welke: Das nervt sie am TV und diese Show verpassen beide nie!

29.12.2023 um 18:36 Uhr

Bastian Pastewka & Oliver Welke sprechen im XXL-Exklusiv-Interview über ihre neue Show und das deutsche TV.  Sie verraten dabei, welche Sendungen sie immer einschalten und auf was sie liebend gern verzichten können.

Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Über den Jahreswechsel diskutieren die ausgewiesenen Fernsehfans Oliver Welke (57, „heuteshow“) und Bastian Pastewka (51, „Pastewka“) im ZDF-Zweiteiler „Wiedersehen macht Freude!“ (fr, 29. Dezember, 20.15 Uhr und in der Mediathek) über „Perlen des Programms“ aus 60 Jahren Fernsehgeschichte. In TV DIGITAL geben sie einen Vorgeschmack auf das unterhaltsame Format – und ziehen Bilanz über den Zustand unseres Fernsehens.

Ein Interview von TV Digital Reporter Mike Powelz

Wie entstand die Idee zu „Wiedersehen macht Freude“ – einem neuen Format, in dem Sie „Perlen des Programms“ aus 60 Jahre TV-Geschichte beleuchten?
Bastian Pastewka: Genau über den Titel „Wiedersehen macht Freude“. Oliver und ich sind ja, wie alle wissen, ohne Persönlichkeit, Rückgrat und Humor auf die Welt gekommen. Was uns außerdem verbindet, ist unsere Liebe zum Fernsehen. Vor 30 Jahren gab’s im ZDF mal eine Sendung namens „Wiedersehen macht Freude“. Moderiert wurde sie von Elmar Gunsch, der – Achtung, Zitat! – „Kabinettstückchen“ präsentierte. Also Highlights aus Film, Funk und Kino. Oliver und ich finden, so etwas muss unbedingt reaktiviert werden.

Was war so cool an Gunsch‘ Format?
Bastian Pastewka: Ich fand die Sendung einfach super, weil da ein freundlicher Moderator saß und Ausschnitte ankündigte, die lustig waren – beispielsweise Jerry Lewis als Typewriter oder Donald-Duck-Cartoons.

Und wie setzen Sie das um?
Bastian Pastewka: Wir haben den Deal, dass wir nicht wissen, was wir in der Sendung wiedersehen. Insofern ist der Untertitel „Wiedersehen macht Freude“ auch hypothetisch gemeint. Sämtliche Ausschnitte, die wir in dieser Sendung sehen, lernen Oliver und ich zum ersten Mal kennen. Wir sitzen vor einem großen Fernseher in einem gemütlichen Wohnzimmer, haben Publikum vor uns, sind gut gelaunt und sagen: „Film ab“ – in der Hoffnung, dass etwas kommt, auf das wir einsteigen können. Die Form ist bewusst offen.

Gibt‘s „Wiedersehen macht Freude“ künftig einmal jährlich? Braucht das Format einen festen Sendeplatz?
Oliver Welke: Würde ich nicht so apodiktisch sagen. Warten wir lieber erstmal ab, wie es den Zuschauern gefällt. Als Eventprogrammierung finde ich es toll, weil das Format die Leute zwischen den Jahren in einer Stimmung abholt, wenn große Teile der Familie fernsehguckend und zugleich verdauend auf der Wohnzimmercouch liegen. Aber ob die Sendung auch ein paar Mal im Jahr taugt kann ich wirklich nicht beurteilen. Es fließt ja auch viel Arbeit rein, weil jede Menge Kollegen die ganzen Fernsehperlen finden müssen. Unser Anspruch ist es ja, nicht nochmal die Sachen zu zeigen, die schon in Tausend alten „Zapping“-Folgen bei Premiere gelaufen sind – sondern Ausschnitte zu diskutieren, die man möglichst noch nie gesehen hat. Ob sich das öfter leisten lässt kann ich nicht einschätzen.

Klingt, als beleuchten Sie einen bunten Mix aus verschiedenen Genres. Picken wir zuerst mal eine aus dem Show-Bereich heraus. Ist „Wetten, dass..?“ eine Perle?
Bastian Pastewka: Klar! „Wetten, dass..?“ steht sogar für immer in den TV-Geschichtsbüchern. In den 80er und 90er Jahren ist das Format – übrigens eine Erfindung von Frank Elstner – dank einer fantastischen Spielidee ganz groß geworden. Eine gute, unikate Spielidee ist immer das Wichtigste bei einer Show. Es gibt nur wenige Shows, die man mit einem Satz auf den Punkt bringen kann. Bei „Wetten, dass...?“ klingt das so: „Es kommen Leute, die unglaubliche Dinge machen – und Prominente wetten, ob das klappt.“ Weil die Star-Power über die Jahrzehnte außerdem immer größer wurde ist das Format in den Geschichtsbüchern gelandet. Übrigens war ich beglückt, als ich im britischen TV mal die Adaption „You Bet!“ gesehen habe und im Abspann „Idea, Concept: Frank Elstner“ stand.

Stichwort deutsche Spielfilme. Kritiker monieren, im TV gäbe es zuviel Mord und Totschlag – aber zu wenig gute Komödien beziehungsweise Tragikomödien. Ihre Meinung?
Bastian Pastewka: Ich predige seit Jahren, dass mir die schmale Vielfalt der Fernsehfilme, die in Deutschland produziert werden, missfällt. Auf der einen Seite sehe ich Kriminalfilme, die entweder unter „Tatort“ fallen oder in die Rubrik Moorleichen-Krimis gehören. Und dann natürlich noch weitere Krimis, von denen wir nur den Arbeitstitel sehen – beispielsweise „Der Barcelona-Krimi“, „Der Irland-Krimi“, „Der Lissabon-Krimi“ und so weiter …
Oliver Welke: Stimmt. Diese ganzen Krimis, in denen deutsche Schauspieler Portugiesen, Isländer und Spanier spielen, habe ich sowieso noch nie verstanden.
Bastian Pastewka: Auf der anderen Seite haben wir dann noch deutsche Soaps – also alles, was mit Rosamunde Pilcher, Lilly Schönauer oder „Frühling“ erzählt wird. Ich bin regelrecht dankbar, wenn zwischendurch mal Bjarne Mädel einen tollen Film wie „Geliefert“ dreht, für den er zu Recht Preise bekommen hat. Mädel ist fast ein Solitär in diesem Genre – weil die „Geschichten von Nebenan“ eben kaum noch Beachtung finden, außer in Form einer Soap.
Oliver Welke: Beim Thema Comedy finde ich es grundsätzlich schade, dass das Genre der Sitcom momentan so tot ist – und es nicht mal mehr Versuche der Sender gibt, irgendwie daran zu schrauben …
Bastian Pastewka: Ja, das Genre der Sitcoms ist (..) in die Streamer gewandert. Beim ZDF lautet die Argumentation, dass es keine Sendeplätze für Halbstünder gäbe – und den Privaten sind sie zu teuer. Wenn dann mal jemand mit einem Script daher käme wie etwa „The Bear: King of the Kitchen“, was eine sensationelle Serie ist, gäbe es immer noch Zweifler, die finden, dass da „irgendwie ja nichts passiere“. Dabei hat diese Serie, wenn man sie sich ganz genau anschaut, eine ungeheure Dynamik. Wie gut sie erzählt ist merkt man übrigens auch daran, dass die Folgen unterschiedlich lang sind. Sowas geht derzeit nur bei den Streamern. 
 

 

Nochmal zurück zu den Krimis: Ihre Meinung über den „Tatort“?
Oliver Welke: Ich gehöre wahrscheinlich zu den fünf Deutschen, die dieses Ritual nie für sich entdeckt haben. Mich kann man sonntags um 20.15 Uhr anrufen. Ich höre aber, dass es da gute Krimis gibt.
Bastian Pastewka: Ich mische mich in die „Tatort“-Welt ebenfalls nicht ein, bin aber der absoluten Meinung, dass dieses Format, weil es so gut funktioniert, seine absolute Berechtigung hat. Da muss ein Kasperkopp wie ich nicht auch noch Sand ins Getriebe streuen.

Die quotenstärksten Krimis aus der Reihe mit den Münsteraner Ermittlern werden auch liebevoll „Tatort-Stadl“ genannt. Bastian, was würden Sie antworten, wenn die ARD-Macher Anke Engelke und Ihnen einen einmaligen Ermittlereinsatz als „Jenny und Mel“ anbieten würden? Lust auf sowas?
Bastian Pastewka: (..)Gesungene Ermittler gab’s ja schon einmal. Ich glaube, es waren Manfred Krug und Charles Brauer, die am Ende eines jeden gelösten Falls immer noch ein Liedchen gesungen haben. 

Stichwort Quiz-Formate: Sind Sie Fans von „Wer wird Millionär?“ und Co. oder wurde früher besser gequizzt?
Oliver Welke: Das Quiz-Genre hat sich über die Jahre im Kern am wenigsten geändert. Der Spaß ist ja immer derselbe – und der große Vorteil ist, dass man zwischendurch immer reinzappen kann und sofort versteht, worum es geht. Selbst wenn man kein Riesen-Quiz-Fan ist, ertappt man sich beim Reinzappen dabei, dass man gerne dran bleibt, weil man verdammt nochmal wissen will, was die richtige Antwort ist. Dieses einfache Konzept war schon vor 60 Jahren genial und ist es jetzt eigentlich auch noch.
Bastian Pastewka: Bei Quizshows bleibe ich auch sofort hängen, bin tatsächlich ein unverbesserlicher Quizshow-Gucker. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Oliver und ich früher mal in einer Quizshow saßen und die Frage gestellt bekamen, was man sieht, wenn man Mittwochabends um 21.15 Uhr seinen Videorecorder um 95 Minuten im Voraus programmiert: a) „Die Sendung mit der Maus“, b) „Lindenstraße“, c) Tatort“ oder d) „Sabine Christiansen“.

Welche Sendung verpassen Sie nie im TV? Was ist Ihr Lieblingsformat?
Bastian Pastewka: „Druckfrisch“. Ich lese zwar kein einziges Buch, aber ich liebe diese Sendung.
Oliver Welke: Dem schließe ich mich an.

Welchen deutschen TV-Sender würden Sie mitnehmen auf eine einsame Insel, wenn Sie nur einen in den Koffer packen dürften?
Oliver Welke: Oh, ich würde dann schon – ehrlich gesagt – das ZDF mitnehmen.
Bastian Pastewka: Dann packe ich „arte“ ein. Aber ohne Oper.

Ihre Meinung über „gefühlige Formate“ wie „Traumschiff“, „Rosamunde Pilcher“, „Inga Lindström“? Schlimmer, als man denkt oder doch nicht von Anfang bis Ende vorhersehbar?
Oliver Welke: Ich kenne die Originale gar nicht, kann mich aber trotzdem  köstlich über die verschiedenen Parodien – beispielsweise in „Switch“ – amüsieren. Etwa wenn Michael Kessler mit Pullover über der Schulter im Cabrio durch Cornwall fährt …
Bastian Pastewka: Das geht mir genau so. Ich habe weder vom „Traumschiff“ noch von der „Schwarzwaldklinik“ jemals eine ganze Folge gesehen.
Oliver Welke: Waaas? Ich sage dir eines: „Die Schwarzwaldklinik“ gucke ich noch heute gerne – die läuft meist  zwischen den Jahren bei ZDFneo als Endlosschleife. Mit der Realität hat sie logischerweise nichts zu tun, aber sie ist eine tolle Zeitreise in das 80er-Jahre-Gefühl. Mir gefällt es einfach super, das ganze Weltbild der späten 80er nochmal so komprimiert zu sehen. Ich gucke das tatsächlich gerne.
Bastian Pastewka: Weil du eben doch ein Herz hast. Ich persönlich habe mit deutschen Soaps nie was anfangen können, während ich „Downton Abbey“ komplett durchgeguckt habe und mich die Neuauflage von „Der Doktor und das liebe Vieh“ wahnsinnig begeistert hat. Auch „Call the Midwife“ ist eine fantastische Serie, die hierzulande allerdings überhaupt niemand kennt. Aber „Inga Lindström“? Nein!

Welche deutsche Serie hat Sie zuletzt richtig gecatcht?
Bastian Pastewka: Die 4. Staffel von „Babylon Berlin“, „Kleo“ und „Der Schatten“.
Oliver Welke: Ebenfalls „Babylon Berlin“. Und „Liebes Kind“ bei Netflix.

Sind Sie Fans der „Großmutter des deutschen True-Crimes“? Von „Aktenzeichen XY … ungelöst?“
Oliver Welke: Sagen wir so, ich habe es viel zu früh durch die ein bisschen geöffnete Wohnzimmertür mitgeguckt – zu Tageszeiten, wo ich längst im Bett hätte liegen sollen. Und ich bin davon genau so sehr traumatisiert worden wie der Rest meiner Generation.
Bastian Pastewka: Ich glaube, der Satz „Ich gucke so gerne XY“ ist nirgendwo jemals gefallen.
Oliver Welke: Hmm, aber der Thrill ist ja eindeutig. Ganz egal, wie gut oder schlecht die Filme gemacht waren – man wusste eben, dass es so ähnlich wirklich passiert ist. Dadurch war die Fallhöhe immens. Und es hat einen gepackt und gegruselt.

Stichwort „Zukunft des deutschen TV“: Steuern wir auf eine Drei-Klassen-Gesellschaft zu? Zwei Sterne für alle, die sich Streaming-Portale leisten können, einen Stern für jene, die nicht von Werbung unterbrochenes, öffentlich-rechtliches TV gucken - und keinen Stern für Privatsender, wo man die ganze Zeit mit Werbung, Gerichtsshows und Co. zugeballert wird?
Oliver Welke: Der Klassenunterschied ist bei uns tatsächlich kleiner als in anderen Ländern – dank der öffentlich-rechtlichen Mediatheken, die mittlerweile zum Glück deutlich besser zu navigieren sind als noch vor ein paar Jahren. So gesehen ist bei uns die Bandbreite größer, und wir sind besser aufgestellt als andere Länder, wo es nur ein Privatfernseh-Kabelangebot oder eben Streaming-Dienste gibt. Zum Glück können bei uns auch Leute, die nicht alle Streamingdienste haben, trotzdem gute Serien, Filme und Dokus gucken - wobei mir natürlich klar ist, dass das nicht gratis ist.

Was wohl sind die Herausforderungen des deutschen TVs?
Oliver Welke: Ich bin froh, dass ich nur Autor und Moderator bin und nicht in einer Programmdirektion arbeite. Denn natürlich ist es extrem schwierig, vorherzusagen, was funktioniert, welche Lehren man aus dem Erfolg der Streamer zieht und wie man die jüngeren Leute beim linearen Fernsehen hält. Sich an diese neue Realität anzupassen, in der jeder sein eigener Programmdirektor ist, finde ich superschwierig. Falsch wäre es auf jeden Fall,  ein „deutsches Netflix“ werden zu wollen. Und zumindest ist es meine Hoffnung - und das bestätigen ja auch manche Erfolge - dass der Zuschauer immer unbewusst spürt, ob eine Sendung mit Liebe gemacht wurde. Bei Formaten wie „Wer stiehlt mir die Show“ spürt man beispielsweise, wie viel Zeit und Energie da hineingeflossen sind – genau wie bei „Die Anstalt“. Ja, Liebe, Zeit und Energie sind der Anspruch, den man heutzutage haben muss um im linearen  TV trotz heftiger Streaming Konkurrenz noch erfolgreich zu sein.

Bitte komplettieren Sie folgende Satzanfänge: ‚„Wer stiehlt mir die Show?“ ist eine Sendung, die …“
Oliver Welke: … ich immer gucke, wenn ich kann!
Bastian Pastewka: Vollkommen richtig. Jedes Mal!

Frühere Familienserien wie „Diese Drombuschs“, „Lindenstraße“ oder „Schwarzwaldklinik“ unterscheiden sich von heutigen Familienserien wie „Gestern waren wir noch Kinder“ vor allem dadurch, dass …
Oliver Welke: … die Drehbücher noch völlig anders geklungen haben. Wenn man „Diese Drombuschs“ heute guckt, merkt man, dass niemand in Wirklichkeit so geredet hat wie beispielsweise die Figur von Witta Pohl. Sie hat manchmal so geklungen, als hätte sie einen Kalender mit Sinnsprüchen gefrühstückt.
Bastian Pastewka: Und natürlich ist die klassische Familie der 80er völlig anders als die momentane. Heutzutage ist jede zweite Ehe geschieden, und jede dritte eine Patchworkehe. Und die Art und Weise, wie junge Leute miteinander kommunizieren, funktioniert auch nochmal anders. Wir haben einfach einen Generationenwechsel erlebt.
Oliver Welke: Stimmt. Deswegen gucke ich ja so gerne  „Die Schwarzwaldklinik“! Die spiegelt die damalige Gesellschaft wie unter einem Brennglas, beispielsweise wenn die Frau des Professors, gespielt von Gaby Dohm, in einen Konflikt geriet, weil sie Job und Kind unter einen Hut bringen musste und das „Happy End“ darin bestand, dass sie ihren Job aufgab! Dasselbe geschah auch Thekla Carola Wieds Figur in „Ich heirate eine Familie“. Beide Frauenfiguren wurden dafür gefeiert, dass sie die Karriere sausen ließen.

Rundfunkgebühren bezahle ich …
Bastian Pastewka: … sogar mehr als Geräte, die ich angemeldet habe. Das merken die gar nicht. 

2023 ist Diversität im deutschen TV …
Oliver Welke: … insofern eine Selbstverständlichkeit, weil man beim Casting in der Fiction  viel zu lange bestimmte Klischees verlängert hat. Wird jeder Schauspieler mit Migrationshintergrund bestätigen.

Das Lagerfeuer-Fernsehen stirbt angeblich mit „Wetten, dass..?“ aus, aber Totgesagte leben länger - man denke nur an die Helene-Fischer-Show. Richtig?
Bastian Pastewka: Absolut. Und auch hier sei nochmal „Wer stiehlt mir die Show?“ erwähnt. Das macht mehr Spaß, wenn man es live guckt – weil man dann schon weiß, wer in der kommenden Woche die Moderatorin oder der Moderator ist. Sich das am nächsten Morgen spoilern zu lassen macht einfach keine Lust. Im Gegenteil: Es verdirbt völlig den Spaß.
Oliver Welke: Es gibt immer noch viele Formate, wo sich Millionen versammeln – sei es „Die Giovanni Zarrella-Show“ oder der „Tatort“. Nicht nur das lineare Fernsehen stirbt langsamer, als man denkt, sondern auch das Lagerfeuer.

Wenn man mir anböte, bei „The Masked Singer“ mitzumachen, würde ich ja beziehungsweise nein sagen, weil...

Oliver Welke: Ich würde nein sagen, weil ich nicht singen kann und keinen Bock auf Schwitzen habe.
Bastian Pastewka: Richtig. Bei mir gilt das Gleiche übrigens auch für „Let’s Dance“.

Wenn das Dschungelcamp läuft, sitze ich …
Oliver Welke: … beim Abendbrot oder mit Freunden im Restaurant. Ich respektiere das Format insofern, dass ich weiß, dass da ganz tolle Autoren Supertexte schreiben und habe es am Anfang auch verfolgt – aber dann bin ich irgendwie raus gewesen.
Bastian Pastewka: Geht mir genauso. Nach dem Sieg von Costa Cordalis in der 1. Staffel habe ich das Dschungelcamp kein weiteres Mal gesehen.

Die durchschnittliche Fernsehdauer ist 2022 um 18 Minuten auf täglich 195 Minuten im Schnitt gesunken. Wie viel sehen Sie persönlich fern? Und benutzen Sie noch eine Fernsehzeitschrift?
Bastian Pastewka: Klar, ich bin einer, der eine Fernsehzeitung zuhause hat. Und wie bereits bekannt ist, habe ich ein kompliziertes System, wo ich mit verschieden farbigen Textmarkern markiere, welche Sendungen ich unbedingt aufzeichnen muss. Dabei ist übrigens auch die Strichtechnik wichtig. Es macht mir einfach Spaß, sich auf Sendungen zu freuen, die eines Tages kommen anstatt nur zu gucken, was ich mir auf Abruf anschauen kann, was schon da ist oder was für mich bereit gestellt wurde. Und was meine tägliche Fernsehdauer betrifft kann ich nicht sagen, dass die geschrumpft wäre. Im Gegenteil: Sie ist sogar wieder ein bisschen gestiegen.
Oliver Welke: Wahrscheinlich ist die durchschnittliche Fernsehdauer bloß ein bisschen geschrumpft, weil die Leute nach den Lockdown-Zeiten, wo es die höchste Fernsehnutzung seit der Erfindung des Fernsehens gab, danach wieder mehr am Leben teilnehmen wollten. Ich selbst habe immer gerne viel fern geguckt. Doch über das, was im Fernsehen läuft, informiere ich mich eher online über  Medienseiten oder Trailer auf YouTube statt mit einer Fernsehzeitung. Da bin ich schon einen Schritt weiter als Opa Pastewka.

Welche Schulnote geben Sie dem deutschen Fernsehen unterm Strich?
Oliver Welke: Im internationalen Vergleich ist das deutsche Fernsehen viel besser als sein Ruf. Das fällt einem besonders auf, wenn man im Ausland TV guckt – beispielsweise in den USA oder Kanada. Dort liegt das normale Angebot, mal abgesehen von den Streamingdiensten, deutlich unter unserem. Bei uns kann man rund um die Uhr gute Sachen angucken. Ich gebe eine zwei minus.
Bastian Pastewka: Dem schließe ich mich völlig an. Es gibt unheimlich viele Leute, die über unser Fernsehen meckern, weil sie angeblich nichts Gutes finden. Als alter Fernsehzeitungs-Nutzer würde ich ihnen raten, bitte auch mal in die Mediathek zu schauen – und nicht nur auf die Streamingdienste, für die sie bezahlen. Denn abseits des 20.15 Uhr-Programms gibt es in den Mediatheken, speziell der öffentlich-rechtlichen Sender, eine unfassbare Vielfalt – übrigens auch im Bereich Dokumentationen. (..)

Aber was fehlt zur Eins?
Bastian Pastewka: Mich nervt die Erwartbarkeit der Programmierung. Ich finde es ein wenig schade, dass sich speziell das öffentlich-rechtliche System seit 15 Jahren immer nur an den flüchtigen Zuschauer wendet. Was die Programmierung betrifft erkenne ich überhaupt keine Flexibilität mehr. Eine Sendung wie „Wer stiehlt mir die Show?“ würde beispielsweise bei ARD und ZDF schon deshalb nicht funktionieren, weil ein Zeitfenster zwischen 20.15 Uhr und 22.30 Uhr nicht frei wäre. Denn dort haben bereits viele andere Redaktionen Anspruch auf ihre jeweiligen Sendungen. Diese Erwartbarkeit erstreckt sich auf alle Tage: Man weiß, dass freitags ein Krimi kommt und sonntags ein Herzschmerz-Drama. Das ist mir alles zu vorhersehbar und das finde ich schade.
Oliver Welke: Sehe ich genauso, deshalb würde ich auch nicht zur Eins greifen. Ich würde mir auch ein bisschen mehr Experimentierfreude wünschen. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern kommt dann meist das Argument mit dem „Programm-Platzmangel“, wobei das auch eine Schattenseite des Erfolgs ist. Denn solange Sachen funktionieren, besteht nicht der Druck etwas zu ändern.
Bastian Pastewka: Wenn man in alte Fernsehzeitungen reinguckt – was ich zur Vorbereitung auf „Wiedersehen macht Freude“ getan habe – sieht man, dass das früher anders war. In den 70er Jahren beispielsweise gab es noch nicht das starre System der Spätnachrichten, und prinzipiell war alles möglich. Manchmal gab’s eine Oper, manchmal einen Theaterabend und so weiter. Wobei – so ehrlich muss man sein – ich eine Oper sowieso nicht geguckt hätte. Und natürlich gab’s damals viel weniger Sender als heute. Inzwischen verteilt sich die Auswahl einfach auf viel mehr Kanäle.

Aber „früher war alles besser“ ist trotzdem ein Mythos. Oder?
Oliver Welke: Ja. Nach der Aufzeichnung von „Wiedersehen macht Freude“ können wir dieses „Früher war alles besser“-Ding gezielt infrage stellen.

Kurzer Blick auf Ihre Bio, Sie sind beide über 50 – und somit der so genannten Zielgruppe entwachsen. Ihre Meinung über die Zielgruppeneinteilung „14-49 gleich jung“ und „ab 3 gleich gesamt“?
Oliver Welke: Über das System der Quotenermittlung könnte man Referate halten. Dass es nach all den Jahren immer noch das einzige Instrument ist, ist schade. Denn technisch sollte inzwischen mehr möglich sein, statt nur ein paar Haushalte abzufragen – zumindest sollte man das meinen. Und was die Zielgruppe betrifft wird die ja mittlerweile sogar von fast allen Sendern selber infrage gestellt. RTL hat ja beispielsweise schon versucht, sich der 14-bis-49-Klammer zu entledigen. Und die demografische Entwicklung in Deutschland spricht ja leider auch dafür, dass dieses 14 bis 49 eh nicht mehr lange haltbar ist. 

Stichwort Einschaltquoten - überbewertet oder aussagekräftig?
Oliver Welke: Wir haben keine andere Möglichkeit der Messung. Ich würde die Erhebung nicht überbewerten, aber natürlich kann sich keiner ganz davon freimachen - und wer sagt, er freue sich nicht über eine gute Einschaltquote, lügt. Bei mir ist es immer so, dass ich das System der Messung infrage stelle, wenn die Quoten nicht so toll sind. Aber wenn sie gut sind, finde ich das System völlig in Ordnung.

Kennen Sie Leute, die einen jener Apparate haben, mit denen der TV-Konsum gemessen wird?
Oliver Welke: Leider nicht. Sonst würde ich denen jeden Tag einen Geschenkkorb schicken (lacht).

 

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