Einer härter als der andere!...
Einer härter als der andere!
Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
Erst bei den Frankfurter Auschwitz-Prozessen erfährt eine junge Dolmetscherin Jahre nach Kriegsende von den furchtbaren Verbrechen der Nazis. Die stark besetzte Bestselleradaption bei Disney+ behandelt ein wichtiges Thema, das vor dem Hintergrund der Eskalation im Nahost-Konflikt gerade wieder sehr relevant geworden ist: Schuld und Verdrängen der NS-Verbrechen.
Ein Artikel von Melanie Koch für unser Magazin STREAMING
Frankfurt am Main 1963: Eigentlich hat Eva (Katharina Stark) gerade nur ihre bevorstehende Verlobung im Kopf, als sie ein verlockendes Angebot erhält: Die junge Dolmetscherin soll vor Gericht die Aussagen polnischer Zeugen übersetzen. Da ihr Freund mit dem Heiratsantrag zögert, ergreift Eva diese berufliche Chance. Sehr zum Unwillen ihrer Eltern, Besitzer der Gaststätte „Deutsches Haus“. Sie würden die Vergangenheit lieber ruhen lassen. Denn: Ihre Tochter soll beim ersten großen Auschwitz-Prozess in Deutschland dolmetschen. Für Eva, die bisher nichts von den furchtbaren Gräueltaten in dem Konzentrationslager wusste, beginnt eine herausfordernde Zeit, die nicht nur ihr Leben verändern wird.
Mit dem Fünfteiler nimmt sich Disney+ eines zentralen Kapitels der deutschen Nachkriegsgeschichte an. Bei den drei Frankfurter Auschwitz-Prozessen, die von 1963 bis 1968 stattfanden, wurde erstmals versucht, die NS-Verbrechen im größten deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen juristisch aufzuarbeiten – und zugleich eine breite Öffentlichkeit mit den furchtbaren Taten zu konfrontieren. Besonders für junge Menschen ein einschneidender Moment, weil in der auf Harmonie bedachten Wirtschaftswunder-Ära in vielen Familien eisern über die Kriegsverbrechen geschwiegen wurde.
Beim ersten Prozess, der über 20 Monate dauerte, standen 22 Angeklagte vor Gericht. Die packende Miniserie „Deutsches Haus“ basiert auf dem gleichnamigen Romandebüt von Annette Hess, die als Drehbuchautorin zuvor große Erfolgsserien wie die „Ku’- damm“-Reihe, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ oder „Weissensee“ verantwortete.
Die Hauptrolle der Eva übernahm Nachwuchstalent Katharina Stark. „Mir waren die Details und die Relevanz dieser Prozesse vor Drehbeginn nicht hinreichend bewusst“, sagt die 25-Jährige im Gespräch mit STREAMING. „In der Schule haben wir zwar viel über die Nürnberger Prozesse gelernt, die direkt nach dem Krieg stattfanden. Aber über diese Gerichtsverfahren habe ich mir vorab einiges anlesen müssen.“ Auch für die polnischen Dialoge musste sie ordentlich pauken. „Für die Übersetzungsszenen habe ich eine Coachin an die Seite gestellt bekommen, die alles genau mit mir durchgegangen ist“, so Stark. „Das Vokabular war natürlich speziell. Nichts, was man normalerweise im Alltag verwendet.“
Von August bis Dezember stand das Team im vergangenen Jahr in Polen vor der Kamera. „An meinem ersten Tag in Krakau hat Annette Hess mich zur Seite genommen und ist mit mir stundenlang durch die Stadt gelaufen“, erinnert sich Stark. „Sie hat mich nach meiner Meinung zu meiner Figur gefragt und mir so die Möglichkeit gegeben, Evas Motivation noch besser zu verstehen – das war eine große Hilfe!“
An der Seite der Newcomerin stehen zahlreiche namhafte Darsteller: Anke Engelke und Hans-Jochen Wagner („Unsere wunderbaren Jahre“) spielen Evas Eltern, Heiner Lauterbach steht als SS-Mann vor Gericht, und Max von der Groeben („Fack ju Göhte“) brilliert in der Rolle des Staatsanwalts. Mit Iris Berben, Henry Hübchen, Sabin Tambrea und Alice Dwyer ist die Serie auch bis in die Nebenrollen hinein stark besetzt. „Für mich war es eine großartige Chance, von diesen tollen und erfahrenen Kollegen etwas lernen zu können“, sagt Stark, die ihre Schauspielausbildung erst 2022 abschloss. „Es war meine erste große Rolle, und ich habe mir viel Druck gemacht. Ich suchte nach Wegen, dem wichtigen Thema gerecht zu werden und Eva so authentisch wie möglich darzustellen.“
Sich über Monate hinweg mit dem Holocaust zu befassen kostet Kraft. Dennoch empfand Katharina Stark die intensive Beschäftigung damit nur bedingt als Belastung. „Ich bin natürlich in einer privilegierten Situation. Ich hatte die Möglichkeit, mich so intensiv wie möglich damit auseinanderzusetzen – und dann ins Hotel gehen und Abstand davon nehmen zu können“, sagt sie. „Auch wenn einen die Thematik sehr mitnimmt, bin ich in keiner Opferposition, denn es gibt so viele Menschen, damals wie heute, die furchtbare Dinge erleben, die sie am Tagesende nicht einfach abstreifen können.“