Interview, Trailer & Serienkritik

Rappen im Supermarkt: Warum die Amazon-Serie "Die Discounter" mit Nura ein Hit wird

16.12.2021 um 16:42 Uhr

Wer "Jerks" mag, wird "Die Discounter" lieben. Hier wird Fremdscham-Material und bitterböse Comedy auf höchstem Niveau geliefert. Gibt aber mehr Gründe, warum man die Amazon-Prime-Video-Serie nicht verpassen sollte. Einer davon: Rapperin Nura in einer Hauptrolle.

Wirklich nett ist keine*r im Hamburger Supermarkt Kolinski, in dem sich die zehn viertelstündigen Folgen abspielen. Im Gegenteil: Ob armes Würstchen, unsichere Kluge, Möchtegern-Macker oder entnervte Unternehmerin: Letztlich haut hier jeder jede in die Pfanne, ohne Rücksicht auf Moral und Verluste. Alles ist aber derart gut inszeniert, innovativ gedacht und bis in die allerletzte Rolle brillant besetzt, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn der Amazon-Neuling - Start 17. Dezember 2021 - nicht eine leidenschaftliche Fanbase findet.

"Alles Impro"

Was auch einer erfahrenen Kritikerin die sprichwörtlichen Socken auszieht, ist aber das umwerfend authentische Spiel des Ensembles, in dem neuere Talente wie Nura Habib Omer und ältere Hasen wie Marc Hosemann nebeneinander agieren.

"Ist ja auch alles echt" verrät uns Nura im via Zoom geführten Interview am 14. Dezember und erklärt, dass die Macher nur Vorgaben lieferten, was gleich passieren soll. Der Rest - Reaktionen, Dialoge - wurde komplett improvisiert in der Serie, die im Mockumentary-Stil à la "Stromberg" aufgezogen ist.

Kostprobe gefällig? Bitte sehr:

Wer sich ein bisschen an den Joyn-Erfolg "Jerks" erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Christian Ulmen ist bei "Die Discounter" als Produzent an Bord und wie man im Video oben sehen konnte, spendiert Fahri Yardim einen (fantastischen!) Gastauftritt. Schöpfer, Regisseure, Autoren, Cutter und auch noch Darsteller der Serie sind allerdings Oskar Belton, Emil Belton ("Unter dem Sand") und Bruno Alexander ("Wir Kinder vom Bahnhof Zoo").

"Fremdschämen ist genau mein Humor"

Und wie hat Nura die für die Supermarkt-Serie geforderte Gemeinheit ertragen - wo sie doch selbst bekanntermaßen oft und gern gegen Ungerechtigkeit kämpft?

Zum einen ist Cringe-Comedy genau ihr Ding:

"Der Humor von der Serie ist gar kein Humor. Das ist einfach unangenehm und das ist geil. Manchmal ist es so 'Oh Gott, Ich kann jetzt nicht weggucken, aber ich kann auch nicht hingucken'."

Gewohnt treffend beschreibt Nura damit das Gefühl, das man tatsächlich bei vielen Szenen hat. Außerdem findet sie, sei es doch auch mal gut, wenn man keine geschönte Instagram-Happiness gezeigt bekommt, sondern das echte Leben, in dem auch nicht immer alles erfreulich ist.

Natürlich standen viele Verhaltensweisen im Drehbuch, bei denen sie stark gegen das eigene Gerechtigkeitsempfinden spielen musste. Der rückgratlose Marktleiter (Marc Hosemann) beispielsweise hätte sich in der Realität warm anziehen müssen:

"Wenn ich als Nura in der Serie mitgemacht hätte, dann hätte ich Thorsten schon längst eine in die Fresse gehauen"

[Anmerkung der Autorin: Ich hätte applaudiert!]

Das nächste Mal Regie?

Überhaupt war die Erfahrung, die Kontrolle und Verantwortung fürs kreative Projekt an die Macher abzugeben, keine einfache für Nura, die sonst bis ins letzte Detail selbst entscheidet und steuert, was sie produziert - angefangen von Songtexten bis zu Musikvideos und allem anderen. Deswegen:

"Bei der nächsten Serie, die ich dreh, bin ich auf jeden Fall bei der Regie dabei"

Am liebsten wohl wieder was mit Impro. Denn: “Das ist das was ich am meisten liebe und an der Schauspielerei am meisten feiere. Keep it real."

Unsere Spontan-Idee, dass sie nach dem Vorbild der US-Castingshow "Rhythm + Flow" mit Cardi B als Jurorin in Deutschland nach neuen Rap-Talenten suchen könnte, kam aber auch gut bei ihr an: "Das würde ich sehr sehr sehr feiern". Sie wäre froh, wenn sie in so einem Format Frauen, aber auch queeren Personen Chancen bieten könnte, die die sonst in einem nach wie vor recht männlich dominierten Business kaum bekämen. 

Na, Amazon Prime Video, wie wär's?

Rappen übers Kassenmikro

Mal eben die eigenen Punchlines durch einen Supermarkt hallen zu lassen, klingt verlockend. Könnte sein, dass etwas in der Art  in "Die Discounter" vorkommt, wir wollen aber nicht spoilern. Eine coole Vorstellung wär's aber auch in der Realität und deswegen haben wir Nura gefragt, ob sie schon mal selbst auf den Gedanken gekommen ist. Cool wie sie ist, hat sie darüber nicht nur nachgedacht, sondern es früher in Berlin tatsächlich mal durchgezogen:

"Im Nachhinein mit Hausverbot und so"

Tja, mittlerweile müsste so ein Supermarkt einiges auf den Tisch legen, um sich einen Nura-Live-Auftritt für die Filiale leisten zu können. Hätten sie es damals mal genossen...

Mehr von Nura

Apropos genießen: Nura ist nicht nur Serienheldin und gefeierte Rapperin, sie hat 2020 ihre Autobiographie mit dem Titel "Weißt Du was ich meine? Vom Asylheim in die Charts" veröffentlicht und ist damit in der Spiegel-Bestsellerliste gelandet.

Nicht nur das. Besonders bewegt haben sie Nachrichten von Fans:

"Sie haben geschrieben 'Ich mag eigentlich gar nicht lesen, ist gar nicht mein Ding'. Sie hätten viele Bücher angefangen und nie eins zuende gebracht und meins, schrieben sie, sei das erste, was sie fertiggelesen haben. Das waren richtig, richtig viele und das hat mich sehr gefreut."

Ein großes und verdientes Lob. Das Buch ist spannend, emotional, witzig und ebenso "real", wie Nura es liebt. Besonders zu empfehlen ist es, sich das Hörbuch zu gönnen, das sie selbst eingesprochen hat.

Wir freuen uns jetzt schon auf Nuras nächste Werke - ob's nun Songs, Bücher oder Serien sind.

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