Sprachliche "Ausrutscher" inklusive

Warum die RTL-Reportage "Einsatz für Henning Baum" schlechte Polizeiarbeit ist

15.04.2021 um 09:24 Uhr

Ist das eine Doku über Polizeiarbeit oder vielleicht doch eine späte Bonusfolge von "Der letzte Bulle" - der Serie, mit der Henning Baum zum TV-Star wurde?

In der RTL-Reportage "Einsatz für Henning Baum", für die der Schauspieler fünf Monate lang die Arbeit der sächsischen Polizei begleitete und die heute Abend um 20.15 Uhr bei RTL ausgestrahlt und bei TVNow zu sehen sein wird, ist man sich da manchmal nicht sicher. Liegt zum einen am dramatischen Erzählton des Schauspielers, der auch als Sprecher fungiert, am satten Einsatz emotionaler Musik, an den Kampf-, Sport- und Schießszenen, die vor allem Baum männlich in Szene setzen. Und es liegt daran, dass hier kernig-kumpelig der Polizist*innenjob als einer der härtesten gefeiert wird, dem sich lauter nette, idealistische Menschen widmen. 

Um das klarzustellen: Selbstverständlich ist dieser Job anspruchsvoll, ehrenwert und mit großer Verantwortung verbunden. Selbstverständlich gibt es sehr viele anständige, hart arbeitende Frauen und Männer, die diese Aufgabe mit besten Absichten und großer Sorgfalt angehen. Und selbstverständlich ist es gut, dass man diese Frauen und Männer fragt, wie sie sich fühlen, wenn sie zum Beispiel zum Dienst bei einer Querdenker-Demo antreten und attackiert werden.

Die dunkle Seite der Macht

Schattenseiten und schwarze Schafe gibt's in dem Beruf allerdings auch. Das schieben Baum und die Reportage aber meist fix beiseite. Zum Thema rassistische geprägte Vorurteile bei der Polizeiarbeit wird beispielsweise ein netter Bereitschaftspolizist und Gruppenleiter befragt. Der sagt, dass "racial profiling" natürlich nicht sein Ansinnen oder das seiner Kolleg*innen sei, Henning Baum findet als Sprecher, dass es schön wäre, wenn "alle Polizisten das so sehen würden", und damit ist die Sache mehr oder minder erledigt

Polizist*innen-Whatsappgruppen mit rassistischen Botschaften, tatsächlich verletzte oder sogar zu Tode gekommene People of Color und andere Vorfälle aus Deutschland, die auch in letzter Zeit bekannt wurden, kommen nicht zur Sprache. Da geht Henning Baum lieber zum bereits erwähnten Gruppenleiter nach Hause, lässt sich bekochen und fragt ihn und seine Frau mit Mitgefühl nach den Härten des Berufs. 

Sprachliche "Ausrutscher"?

Gerade bei dieser Homestory, die laut poetischer Ansage "ehrliche Einblicke in die Seele einer Polizistenfrau" erlauben soll, kommt es beim Überreichen der mitgebrachten Topfpflanze zu folgendem Ausspruch: "Ich hab Euch ne Banane mitgebracht, gibt son bisschen Afrikaatmosphäre". Dass Bananenstauden längst nicht nur in Afrika wachsen und die Assoziation eines ganzen Kontinents gerade mit dieser einen Frucht mindestens ungut klingt, scheint ihm nicht bewusst zu sein. Warum der Satz nicht spätestens dem Schnitt zum Opfer fiel, fragt man sich hier ebenso wie bei der Szene, in der Baum sich als Polizeitaucher versucht und beim mühevollen Ausziehen des engen Anzugs fragt "Wo ist die junge Assistentin, die mir hier raushilft". Eine Frage, die 48-jährige Männer nicht stellen sollten, egal, ob jemand mitfilmt oder nicht.

Es geht auch anders

Zurück zu den Schattenseiten der deutschen Polizei. Wie man die trotz grundsätzlicher Sympathie für die Berufsgruppe nicht unter den Teppich kehrt, zeigte im Dezember 2020 Jan Böhmermann, selbst Sohn eines Polizeibeamten. Auf humorvolle Art, weil Satireshow, aber mit harten Fakten:

Werbefilm statt Reportage

Probleme bei der deutschen Polizei benennen, Betroffene, Täter oder Experten befragen - das gibt es in "Einsatz für Henning Baum" kaum. Mit kurzer Ausnahme wie der Geschichte des (weißen) Kameramanns, anhand derer kritisiert wird, dass Fällen von mutmaßlichen Übergriffen der Polizei von deren Kollegen beurteilt werden und eine unabhängige Stelle fehlt. Ansonsten werden solche Themen schnell relativiert, diffus abgehandelt oder ohne Nachhaken im Raum stehen gelassen. Oder es werden die entsetzlichen Bilder von der Ermordung von George Floyd in den USA bemüht, die wiederum signalisieren, das rassistische Gewalt wohl woanders stattfindet. Stattdessen wird in zahlreichen Szenen und Worten wiederholt festgehalten, wie unverdient schlecht Polizist*innen oft behandelt und wahrgenommen werden, obwohl sie nur ihr Bestes geben.

Hat zur Folge, dass "Einsatz für Henning Baum" eine Art Werbefilm geworden ist und beileibe kein um Objektivität bemühter Reportage-Blick hinter die Kulissen. Hier wird nur eine Seite gehört und betrachtet - und das ist doch eigentlich der Inbegriff schlechter Polizeiarbeit, oder?

Wann & Wo man die Reportage sehen kann

"Einsatz für Henning Baum - Hinter den Kulissen der Polizei" wird am 15. April 2021 um 20.15 Uhr bei RTL ausgestrahlt und ist dann auch online bei TVNow zu sehen.

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