Einer härter als der andere!...
Einer härter als der andere!
Im TV kann so einiges schief gehen, vor allem dann, wenn Sendungen oder...
Düstere Vision mit Iris Berben: Wer es sich leisten kann, kauft im Thriller „Paradise“ anderen Menschen Lebensjahre ab. Könnte sie sich so einen Handel auch im realen Leben vorstellen?
Ein Artikel von TV Digital Reporter Mike Powelz.
Was wäre, wenn man einen Teil seiner Lebenszeit für sehr viel Geld verkaufen könnte? Diese Frage beschreibt den moralischen Grundkonflikt des spannenden Science-Fiction-Films „Paradise“ mit Iris Berben. In dem düsteren Thriller ist die 72-Jährige in ihrer ersten Netflix-Rolle zu sehen. Deutschland in der sehr nahen Zukunft: Dem Berliner Unternehmen Aeon ist eine spektakuläre Erfindung gelungen. Die Firma hat ein Verfahren entwickelt, mit dem man Menschen Lebensjahre abzwacken und diese dann auf andere übertragen kann.
Firmenchefin Sophie Theissen (Iris Berben) preist das als einen Superdeal für beide Seiten an: Für ihre verlorene Lebenszeit würden die Spender so großzügig entschädigt, dass sie ihre Familien absichern könnten. Gleichzeitig könne die Gesellschaft viele weitere Jahre vom speziellen Wissen der Lebenszeitempfänger profitieren, zu denen zum Beispiel Medizin Nobelpreisträger und andere Wissenschaftskoryphäen gehören sollen.
Diese Argumentation überzeugt zunächst auch Max (Kostja Ullmann), einen von Theissens engagiertesten Mitarbeitern. Dann aber gerät seine Partnerin Elena (Marlene Tanczik) in eine finanzielle Notlage. Ein Gericht verurteilt sie dazu, 38 Jahre ihres Lebens zu verkaufen und so ihre Schulden zu bezahlen. Um seine Chefin zu erpressen, entführen Max und die unterdessen gealterte Elena Sophies Tochter (Lisa-Marie Koroll). Das bringt beide in Lebensgefahr, zudem werden sie von einer Terrororganisation verfolgt, die alle Empfänger von Lebenszeit eliminieren will.
„Eine Inspiration waren die Zeitdiebe aus Michael Endes Roman ,Momo‘ – und die Frage, ob man dieses Konzept nicht auch in eine andere Umgebung übersetzen könnte“, berichtet Drehbuchautor und Regisseur Boris Kunz im Interview. Eine weitere Anregung für die Idee des Zeittransfers sei das ewige Leben von Vampiren gewesen, so Kunz weiter. „Was würde passieren, wenn jemand viel länger auf der Welt wäre als alle Menschen um ihn herum? Macht ihn das übermächtig – allein durch die Zeit, die er hat, um sich zu vernetzen, Erfahrungen zu sammeln und zu lernen?“
Was hat Hauptdarstellerin Iris Berben an diesem Film gereizt? Die Goldene Kamera-Preisträgerin erklärt: „Interessiert hat mich besonders die große moralische Frage über die Wertigkeit des Lebens, der Jugendlichkeit und der ewigen Jugend. Meine Figur, eine CEO, geht in ihrer Machtbesessenheit über Leichen. Ich habe mich gefragt, ob sie der Welt wirklich Heil bringen und anderen Menschen helfen will, weil sie als Forscherin großes Potenzial in der Verjüngungstechnologie sieht, oder ob sie durch die Macht korrumpiert wurde oder prinzipiell machtbesessen ist.“
Die Schauspielerin weiter: „Wenn meine Figur etwa darüber redet, wie positiv es sich ausgewirkt hätte, wenn das Leben von Menschen wie Frida Kahlo oder Nelson Mandela hätte verbessert und verlängert werden können, ist das ja durchaus ein kluger, gut durchdachter Ansatz. Insofern fand ich es ziemlich spannend, einen Film über die Doppelbödigkeit dieser Frau zu machen, der zugleich klug darüber reflektiert, dass ewige Jugend zu einer Währung geworden ist und wie jeder Mensch versucht, seine Selbstoptimierung auf extreme Weise auszunutzen.“
Welchen Denkanstoß gibt „Paradise“ aus Berbens Sicht? „Den Anstoß, sich über Themen wie Selbstoptimierung und Äußerlichkeiten Gedanken zu machen. Besonders in unserer Zeit, wo es immer mehr Influencerinnen und Influencer gibt. Deren hauptsächliche Arbeit besteht ja darin, anderen zu sagen, was sie tragen und kaufen sollten und wie sie auszusehen haben. Dabei wird völlig ignoriert, dass wir lieber unsere Individualität feiern sollten.“
Würde Berben ihre eigene Lebensuhr 20 Jahre zurückdrehen? „Falls es ethisch möglich wäre, wäre das vielleicht nicht schlecht“, so der Star. „Aber das ist hier eben nicht der Fall: ,Paradise‘ zeigt die Ausbeutung von Menschen, die in Not sind. Nur jene, die finanziell viel besser dastehen, können sich eine verlängerte Jugend leisten. Wäre das nicht so, hätte ich nichts dagegen, mein Leben etwas zu verlängern. Aber ich müsste nicht wieder 20 sein, sondern fände es viel spannender, mein Leben nach hinten zu verlängern.“
Am 27. Juli startet der Thriller „Paradise“ bei Netflix.