Neue "ARD Story" macht nachdenklich

Bittere ARD-Doku zur Strafjustiz: Wer arm ist, geht in den Knast

06.06.2023 um 17:11 Uhr

Die neue ARD-Doku „Arm und Reich vor Gericht“ stellt die Frage, „Wie gerecht ist unsere Strafjustiz?“ – und beantwortet sie eindeutig.

Schon mal den Begriff Ersatzfreiheitsstrafe gehört? Sie kommt immer dann zum Einsatz, wenn ein Straftäter die vom Gericht verhängte Geldstrafe nicht bezahlen kann und das passiert in Deutschland nicht selten. Mehrere Tausend Menschen in Deutschland erleben jedes Jahr das Gleiche, was Patrick H. passiert ist, der in seiner Zelle in der JVA Berlin-Plötzensee einsitzt. Er wurde nie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und konnte lediglich seine Geldstrafe wegen Ladendiebstahls nicht zahlen. Die Länge der Haft hängt dabei von der Anzahl der verhängten Tagessätze ab, egal wie hoch die sind. Eine Tagessatz Geldstrafe wird umgerechnet in einen Tag hinter Gittern.

Viele Häftlinge wie Patrick haben nicht einmal vor Gericht gestanden und alle haben eines gemeinsam: Sie sind arm. Ist das Zufall? Oder haben es Menschen mit mehr Geld im deutschen Justizsystem leichter? Wer kein Geld für einen Anwalt hat, steht im Zweifel ohne Verteidigung vor Gericht. Pflichtverteidiger werden schätzungsweise nur in zehn Prozent der Fälle eingesetzt, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr im Raum steht und in einigen Ausnahmefällen.

"Mehr Geld gleich bessere Verteidigung gleich bessere Chancen vor Gericht, das ist in vielen Fällen leider zutreffend“,

sagt Anwalt Nikolaos Gazeas. Seine Kanzlei in Köln zählt zu den Topadressen für Wirtschaftsstrafrecht in Deutschland und verlangt Stundensätze um die 400 Euro. Gazeas hat Beschuldigte in Cum-Ex-Strafverfahren vertreten und die Verteidigung im Schmiergeldprozess um ehemalige Siemens-Manager koordiniert. Er schätzt: 80 Prozent seiner Fälle werden entweder eingestellt oder enden mit einem Freispruch.

Die Reporter der "ARD Story" sprechen mit Gefangenen, Verurteilten und Beschuldigten, mit Richterinnen, Staatsanwälten und dem Leiter eines Gefängnisses. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann wird mit der Frage konfrontiert, wie er die deutsche Strafjustiz gerechter machen will.

"Arm und Reich vor Gericht": Di, 6. Jnu, 20.15 Uhr im Ersten und hier in der Mediathek.

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